Schließe deine Augen
ist«, ergänzte Gurney, »entfällt dieses Motiv zwar, aber es bleibt trotzdem das Problem, dass Ashton nichts von seinem Wahnsinn bemerkt hat.«
Peggy lehnte sich vor und gestikulierte mit der Gabel. »Dass er hetero ist, würde natürlich dazu passen, dass er eine Affäre mit dieser Kiki Muller hatte, und dass sie zusammen abgehauen sind, aber dann bleibt nur noch Wahnsinn als Erklärung für die Tat.«
»Außerdem«, fügte Gurney hinzu, »wäre dann neben Scott Ashton auch Kiki Muller nicht aufgefallen, dass Flores wahnsinnig ist. Und es gibt noch ein weiteres Problem. Welche Frau würde freiwillig mit einem Kerl durchbrennen, der gerade einer anderen den Kopf abgeschnitten hat?«
Peggy erschauerte leicht. »Unvorstellbar.«
Madeleine seufzte gelangweilt. »Den Frauen von Heinrich dem Achten hat es anscheinend nichts ausgemacht.«
Nach kurzer Stille stieß George wieder sein schallendes Lachen aus.
»Ich wage zu behaupten«, bemerkte Peggy, »dass es einen Unterschied gibt zwischen einem englischen König und einem mexikanischen Gärtner.«
Schweigend fixierte Madeleine eine Walnuss in ihrem Salat.
George nutzte die Gesprächspause. »Was ist mit diesem Burschen mit der Spielzeugeisenbahn, Adeste Fideles und so? Vielleicht hat der sie alle umgebracht.«
Peggy zog eine Grimasse. »Was redest du denn da, George? Wen, alle?«
»Das wäre doch eine Möglichkeit, oder? Angenommen, seine Frau war eine Schlampe und ist mit dem Mexikaner ins Bett gegangen. Und vielleicht war die Braut eine Schlampe und ist auch mit dem Mexikaner ins Bett gegangen. Vielleicht hat Mr Muller einfach beschlossen, sie alle umzubringen – nicht schade um die zwei Schlampen und ihren billigen Romeo.«
»Mein Gott, George«, rief Peggy. »Du freust dich ja richtig über das, was mit den Opfern passiert ist.«
»Nicht alle Opfer sind unbedingt unschuldig.«
»George …«
Madeleine schaltete sich ein. »Warum hat er die Machete im Wald gelassen?«
Nachdem alle Blicke zu ihr gewandert waren, fragte Gurney: »Ist es die Spur, die dich stört, die Geruchsspur, die einfach abreißt?«
»Was mich stört, ist, dass die Machete ohne nachvollziehbaren Grund in den Wald gelegt wurde. Es ist sinnlos.«
Gurney setzte sich auf. »Wirklich ein gutes Argument. Damit sollten wir uns näher befassen.«
»Lieber nicht.« Madeleines Stimme war beherrscht, aber unüberhörbar. »Tut mir leid, dass ich es überhaupt erwähnt habe. Die ganze Unterhaltung macht mir Bauchschmerzen. Können wir bitte über was anderes reden?« Am Tisch entstand verlegenes Schweigen. »George, erzähl uns von deiner Lieblingsspinne. Du hast doch bestimmt eine.«
»Ach … schwer zu sagen.« Er wirkte ein wenig desorientiert.
»Bitte, George.«
»Du hast doch gehört – das Thema ist tabu.«
Nervös schielte Peggy zu Madeleine. »Los, George. Alle wollen es hören.«
Nun ruhten alle Blicke auf George, der sichtlich aufblühte. Man konnte sich den Mann leicht am Pult eines Lesesaals vorstellen: Professor Meeker, der angesehene Entomologe, Quelle der Weisheit und spannender Anekdoten.
Vorsicht, Gurney, so ein Urteil könnte genauso gut auf dich zutreffen. Oder was treibst du sonst an der Polizeiakademie?
Selbstbewusst hob George das Kinn. »Springspinnen.«
Madeleine machte große Augen. »Springende Spinnen?«
»Ja.«
»Können sie wirklich springen?«
»Und ob. Fünfzigmal so weit wie ihre Körperlänge. Das ist, als würde ein eins achtzig großer Mann über ein ganzes Footballfeld springen. Und das Erstaunliche daran ist, sie haben praktisch keine Beinmuskeln. Wie also schaffen sie dann so einen Riesensatz? Mit hydraulischen Pumpen! Ventile an den Beinen setzen unter Druck gesetztes Blut frei, sodass sich die Beine ausdehnen und sie in die Luft befördern. Stellt euch vor, ein tödliches Raubtier stürzt sich aus dem Nichts auf seine Beute. Keine Hoffnung zu entrinnen.« Meekers Augen funkelten wie die eines stolzen Vaters.
Bei diesem Vergleich beschlich Gurney ein mulmiges Gefühl.
»Und dann«, fuhr Meeker aufgeregt fort, »gibt es natürlich noch die Schwarze Witwe – eine wirklich elegante Killerin. Ein Geschöpf, das Gegner von der tausendfachen Größe töten kann.«
»Ein Geschöpf«, warf Peggy ein, »das genau Scott Ashtons Definition von Vollkommenheit entspricht.«
Madeleine warf ihr einen fragenden Blick zu.
»Ich beziehe mich auf Ashtons berüchtigtes Buch, das Empathie – Sorge um das Wohl und die Gefühle anderer – als Defekt
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