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Schließe deine Augen

Schließe deine Augen

Titel: Schließe deine Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Verdon
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endlosen Stoff für Witze über die Arbeitsweise der Behörden, die in dem Gebäude untergebracht waren, seit es während der großen Depression an die Gemeinde gefallen war.
    Wie ein mächtiger Briefbeschwerer hielt der dunkle Backsteinbau die Nordseite des Stadtplatzes besetzt. Das dringend benötigte Sandstrahlen zur Beseitigung der ein Jahrhundert alten Schmutzschicht wurde wegen einer dauerhaften Haushaltskrise Jahr für Jahr aufgeschoben. In den Sechzigerjahren war das Haus entkernt und modernisiert worden. Gesprungene Kronleuchter und verzogene Eichentäfelung wurden durch Neonröhren und Gipskarton ersetzt. An den ausgeklügelten Sicherheitsvorkehrungen in der Halle, die Gurney von seinen Besuchen im Zuge des Falls Mellery noch gut in Erinnerung hatte, hatte sich nichts geändert. Nach dieser langwierigen Prozedur öffnete er eine Milchglastür, auf der in eleganten schwarzen Lettern das Wort BEZIRKSSTAATSANWALT stand.
    Am Empfangsschreibtisch erkannte er eine alte Bekannte im Kaschmirpullover: Ellen Rackoff, die äußerst erotische, aber alles andere als junge Chefsekretärin des Bezirksstaatsanwalts. Ihr Blick war faszinierend kühl und erfahren.
    »Sie haben Verspätung«, schnurrte sie mit Kaschmirstimme. Die Tatsache, dass sie ihn nicht nach seinem Namen fragte, war der einzige Hinweis darauf, dass sie sich von letztem Jahr noch an ihn erinnerte. »Kommen Sie.« Sie führte ihn wieder hinaus durch die Glastür zu einer Tür mit einem schwarzen Plastikschild darauf: KONFERENZRAUM .
    »Viel Glück.«
    Er öffnete die Tür und glaubte kurz, dass er zur falschen Besprechung erschienen war. In dem Zimmer befanden sich mehrere Leute, allerdings fehlte Sheridan Kline, den er auf jeden Fall erwartet hatte. Aber er war wohl doch richtig, denn von der entgegengesetzten Seite des großen runden Tischs, der den fensterlosen Raum zur Hälfte füllte, starrte ihn Captain Rodriguez giftig an.
    Rodriguez war ein kleiner, beleibter Mann mit verschlossenem Gesicht und einem sorgfältig frisierten und sichtbar gefärbten schwarzen Haarschopf. Sein blauer Anzug war makellos, das Hemd weißer als weiß, die Krawatte blutrot. Eine Brille mit dünner Stahlfassung betonte den dunklen, verbitterten Blick. Links von ihm saß Arlo Blatt, der Gurney aus kleinen Augen unfreundlich fixierte. Der farblose Mann rechts von Rodriguez ließ keinerlei Emotionen erkennen, er wirkte nur leicht depressiv, was aber wohl eher angeboren als situationsbedingt war. Nachdem er Gurney kurz in polizeitypischer Manier von oben bis unten gemustert hatte, schaute er gähnend auf die Uhr. Gegenüber von diesem Trio lehnte mindestens einen Meter vom Tisch entfernt Jack Hardwick auf einem Stuhl, die Augen geschlossen und die Arme verschränkt, als hätte ihn die Anwesenheit der anderen in Tiefschlaf versetzt.
    »Hallo, Dave.« Die Stimme war stark, klar und vertraut. Sie kam von einer Frau mit kastanienbraunem Haar, die in der hinteren Ecke stand und erstaunliche Ähnlichkeit mit der jungen Sigourney Weaver hatte.
    »Rebecca! Ich wusste nicht, dass … dass Sie …«
    »Ich auch nicht. Sheridan hat mich heute Morgen angerufen und gefragt, ob ich es einrichten kann. Es hat sich so ergeben, also bin ich hier. Kaffee?«
    »Gern.«
    »Schwarz?«
    »Klar.« Er trank ihn lieber mit Milch und Zucker, aber er wollte ihr nicht zu verstehen geben, dass sie sich getäuscht hatte.
    Rebecca Holdenfield war eine angesehene Serienmordprofilerin, die Gurney – trotz seiner Zweifel an Profilern im Allgemeinen – während der gemeinsamen Arbeit am Fall Mellery kennen und schätzen gelernt hatte. Er fragte sich, wie er ihre Anwesenheit heute deuten sollte.
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, und der Bezirksstaatsanwalt schritt herein. Wie immer strahlte Sheridan Kline funkelnde Energie aus. Wie die Taschenlampe eines Einbrechers huschte sein Blick durchs Zimmer und hatte blitzschnell alles registriert. »Becca! Danke, dass Sie die Zeit gefunden haben. Dave! Detective Dave, der Bewegung in die Sache gebracht hat! Der Grund, warum wir alle hier sind. Und Rod!« Strahlend grinste er Rodriguez in dessen saures Gesicht. »Freut mich, dass Sie es so kurzfristig geschafft haben und Ihre Leute mitgebracht haben.« Das Desinteresse, mit dem er den Blick über Rods Begleiter wandern ließ, strafte seine Worte Lügen. Kline hatte gern Publikum, aber es musste sich aus Leuten zusammensetzen, die zählten.
    Holdenfield trat mit zwei Tassen Kaffee an den Tisch, reichte eine

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