Schloss der Engel: Roman (German Edition)
viel mehr, als ich wollte. Scharfe Klauen bohrten sich in meine Haut und hinterließen blutige Striemen auf meinem Rücken. Ich schrie, aber meine Lippen wurden von einem brutalen Mund verschlossen, dessen raubtierhafte Fangzähne sich hart gegen meine Kiefer pressten.
Ich wehrte mich, trat und boxte, doch das Monster hielt meine Taille in einem eisernen Klammergriff gefangen. Mit unaufhaltsamer Kraft drängte es gegen meinen Körper und sog mich in sich hinein, bis sich alles, was ich jemals war, in nichts auflöste.
Ich keuchte, als ein zarter Kuss mich aus meinem Albtraum riss.
»Lynn, wir sind da.« Wie zufällig streiften Philippes Lippen mein Gesicht, als er mich weckte.
Ich zuckte nicht zurück – schlaftrunken war ich zu langsam zum Reagieren –, obwohl mir seine sanfte Berührung einen Angstschauer über den Rücken jagte.
O Gott! Was war los mit mir? Philippe war mein bester Freund! Fürchtete ich mich so sehr vor seiner Berührung, dass ich schon von ihm als grünäugiger Bestie träumte?
Er half mir beim Aussteigen und begleitete mich zur Tür – ganz Gentleman, was nicht unbedingt seine übliche Anmache war. Auch versuchte er nicht, den coolen Typen zu spielen, wie normalerweise, wenn er ein Mädchen rumkriegen wollte. Trotzdem verhielt er sich anders als sonst, vorsichtiger und zugleich liebevoller. Hatte er mich vermisst? Lächerlich! Ich bildete mir etwas ein.
Entschlossen stellte ich mich auf die Zehenspitzen und drückte ihm zum Abschied einen Kuss auf sein stoppeliges Kinn. Er sollte meine Unsicherheit nicht bemerken. Und schließlich waren wir befreundet!
»Danke, Philippe. Du hast mir heute das Leben gerettet!«
Er hatte mehr verdient – aber ich wusste nicht, wie ich auf sein ungewohntes Verhalten reagieren sollte.
Seine eindeutig dunkelbraunen Augen leuchteten noch, als mein Vater die Tür öffnete, um mich einzulassen. Vielleicht sollte ich Philippe an unsere Abmachung erinnern, dass wir nur Freunde bleiben wollten.
Kapitel 18
Tanzstunde
M ir war kalt, als ich aufwachte. Ich hatte geträumt – einen wunderschönen Traum: von einer glücklichen Zukunft, von einem erfüllten Leben in einem wunderschönen Haus an einem wunderschönen Ort mit zwei entzückenden Kindern und einem wunderbaren Mann an meiner Seite, der mich liebte und für mich da war: Philippe!
Zitternd tapste ich ins Badezimmer. Eindeutig zu viel Philippe. Ich drehte die Dusche auf heiß, um die Kälte zu vertreiben. Die wohlige Wärme würde nicht lange anhalten – der Norden wartete auf mich! Und davor noch das Gespräch mit meinen Eltern.
Sie zögerten es bis kurz vor meiner Abreise hinaus. Wahrscheinlich hofften sie auf einen Flashback, doch ich musste sie enttäuschen. Mein Gedächtnis blieb stumm.
»Bis Ostern fällt dir bestimmt wieder ein, mit wem du alles geflirtet hast«, scherzte mein Vater, als er mein Gepäck nach unten trug.
Ich verzog das Gesicht. Sah ich so aus, als bräuchte ich dringend einen Freund? Erst Philippe und jetzt auch noch mein Vater – von dem ich solche Sprüche am wenigsten erwartete.
»Oder warum ich in den Wald geflüchtet bin«, erwiderte ich bissig.
»Solange du in der Probezeit bist, werden sie dich nicht gleich köpfen, wenn du etwas ausgefressen hast. Du kannst uns ruhig sagen, warum du ...«
»Probezeit?!« Ich blieb auf dem Treppenabsatz stehen. Niemand hatte mir etwas von einer Probezeit erzählt.
Meine Mutter stand in der Diele und warf meinem Vater einen beschwörenden Blick zu. »Nur bis zu den Osterferien. Bis dahin wirst du dich eingelebt haben«, antwortete er.
»Und wenn nicht?«
»Dann kannst du ...«
»Dann hast du Zeit bis zum Sommer«, fiel meine Mutter meinem Vater ins Wort und erstickte meine aufkeimende Hoffnung, zurück auf meine alte Schule gehen zu dürfen. Ohne einen weiteren Kommentar öffnete sie die Tür und schob meinen Vater nach draußen, bevor der sich noch mehr verquasselte. Vielleicht konnte ich ihn an Ostern überreden, mich vom Internat zu nehmen.
Als am Abend das weiße Schloss wie in einem Märchen hinter den knorrigen Bäumen auftauchte, begann mein Herz schneller zu schlagen. Freute ich mich, wieder hier zu sein? Es fühlte sich beinahe so an. Oder war es Angst? Aber wenn, wovor – oder vor wem?
Energisch schob ich meine Befürchtungen beiseite: Vielleicht wurde ich ja positiv überrascht. Ich bezahlte den Taxifahrer und schnappte mir meinen neuen Lederrucksack vom Rücksitz. Meine Mutter hatte ihn extra für mich anfertigen
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