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Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Schloss der Engel: Roman (German Edition)

Titel: Schloss der Engel: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Itterheim , Jessica Itterheim
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aufgestickten Namen, der meine Schlafbrille aufhatte, die ich nie benutzte, aber unbedingt haben wollte. Ich war wieder zu Hause – bei allem, was ich liebte!
    Philippe kam eine Stunde, nachdem ich mich aus dem Bett geschält hatte, mit Antonio vorbei, um mich abzuholen.
    »Brauchst du noch lange?«, fragte er mit einem ungeduldigen Blick auf meine halbvolle Cappuccinotasse.
    »Ja. Ich muss den Kaffee hier genießen. Im Internat bekomme ich so was nicht!«
    Ich leerte die Tasse mit einem Schluck, schnappte mir meine Strandtasche und folgte Philippe zu seinem Wagen. Wir holten Emilia und Stefano ab, der sich mit seinen langen Beinen in dem kleinen Fiat Punto zwischen Emilia und Antonio auf die Rückbank quetschte.
    Philippe wählte den Umweg über die Berge – trotz Antonios und Stefanos Protest. Es wäre schließlich mein Tag, erstickte er ihre Einwände. Ich dankte ihm im Stillen und genoss den Anblick der malerischen Bergdörfer, deren bescheidene Häuser sich dicht gedrängt an die schroffen Bergrücken schmiegten.
    Als wir die Stelle passierten, an der zum ersten Mal das Meerzu sehen war, hielt ich den Atem an. Tiefblau erstreckte es sich unter dem wolkenlosen Himmel bis zum Ende des Horizonts.
    »Danke«, nuschelte ich Philippe zu, da er die nächstmögliche Parkbucht ansteuerte.
    »Ist schon okay. Ich weiß ja, wie sehr du das Meer liebst.«
    Philippes Augen richteten sich auf mich, als suchte er etwas anderes als Dankbarkeit. Hatte er eine Abfuhr erhalten, während ich im Internat war? Eigentlich dachte ich, wir hätten geklärt, dass ich nicht die Lückenbüßerin spielen würde.
    Nachdem der Fiat angehalten hatte, stürmte ich förmlich zur Tür hinaus. Die Kieselsteine knirschten unter meinen Sohlen, als ich, leicht außer Puste, die schmale Steinmauer am Rand der Felskante erreichte. Wie einen glitzernden Teppich, gewebt aus Millionen von Edelsteinen, ließ die Sonne das kristallklare Blau des Meeres auffunkeln. Kein Wunder, dass mir der Atem stockte.
    Ein gleißender Lichtstrahl spiegelte sich auf der glatten Oberfläche und bohrte sich meinen Sehnerv entlang. Tränen schossen mir in die Augen – meine Kopfschmerzen kehrten zurück. Vielleicht hätte ich meine Medizin besser doch genommen.
    Am anderen Ende des Parkplatzes knallten Autotüren. Anscheinend hatte Philippe die Jungs überredet, auszusteigen. Ich wischte mir die Tränen aus dem Gesicht – nicht dass einer von ihnen auf die Idee kam, mich trösten zu wollen.
    Feuchter Nebel stieg vom Abgrund herauf. Wohltuende Schatten in der Tiefe versprachen Schutz vor der unerträglichen Helligkeit. Schon der Gedanke an die grelle Sonne verstärkte das Pochen hinter meinen Augäpfeln. Ich lehnte mich über die niedrige Brüstung, um mein Gesicht in dem sanften Hauch zu kühlen.
    Komm zu mir.
    Bei mir findet dein Schmerz ein Ende.
    Ich erlöse dich.
    Vertrau mir.
    Mein Kopf explodierte. Dröhnende Stimmen wühlten sich durch meinen Schädel und jagten Schmerzwellen durch ihn hindurch. Übelkeiterregender Schwindel ließ mich taumeln. Haltsuchend klammerte ich mich an die Mauer. Steine lösten sich aus der dünnen Wand, und ich verlor das Gleichgewicht.
    Ein aufheulender Wind trieb den kalten Nebel ins Tal hinab. Gleichzeitig schlangen sich zwei stählerne Arme um meine Taille und rissen mich zurück.
    Ich schloss die Augen. Tausend Empfindungen schossen durch mich hindurch: Angst, Kälte, Tod, aber auch Sicherheit, Wärme und vertraute Nähe, verbunden mit den Vorzeichen eines heraufziehenden Sturms. Die Luft um mich begann zu vibrieren, verdichtete sich und raubte mir den Atem. Ich verlor mich in dem berauschenden Gefühl. Ich kannte es – brauchte es. Es schützte mich. Und ich hielt mich an ihm fest, obwohl es versuchte, mir zu entkommen.
    »Lynn!«
    Der Klang meines Namens spülte mich fort. Ich kämpfte mich zurück. Tief verborgene Erinnerungen warteten, das fühlte ich – wusste ich!
    »Lynn?!« Philippes Stimme riss mich in die Wirklichkeit, und meine Vergangenheit verblasste zusammen mit meinen Kopfschmerzen zu einem undeutlichen Gefühl.
    »Was um Himmels willen hast du vor?!«
    Philippes Stimme holte mich aus meiner Starre. Dreißig Meter, vielleicht auch mehr, stürzte der Abhang vor mir in die Tiefe. Noch immer hallte der Aufschlag der hinabkullernden Steine empor.
    »Ich ... ich wollte nur ...« Sprachlos vor Entsetzen verstummte ich. Erst jetzt erkannte ich, dass ein Sturz in die Tiefe wahrscheinlich mehr als Schürfwunden nach sich

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