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Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)

Titel: Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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gemeinsam mit seiner Widersacherin im Nirvana.
    Ich hätte nie geglaubt, dass es so still sein kann in Bergheim.
    Irgendwann – ob nach wenigen Sekunden oder einer Handvoll Minuten,
weiß ich nicht – stand ich ebenfalls und nahm sie in die Arme. Verrückt, was man
so tut, wenn einem gar nichts anderes mehr einfällt. Meine inneren Wechselbäder
beruhigten sich; nun war mir konstant heiß. Inez lag an meinem Körper, ihre Arme
hingen herab, ihre Haarspitzen kitzelten wie zuvor mein Kinn.
    Und dann geschah etwas Sonderbares. Aus ihrem schwarzen Haar löste
sich ein Nachtvogel, flatterte durchs Zimmer und durch das geschlossene Fenster
ins Freie.
    Um ehrlich zu sein: Ich fand es überhaupt nicht sonderbar. Ich empfand
es als das Natürlichste der Welt.
    »Wie ist das passiert?«, hörte ich mich fragen.
    »Mein Vater«, antwortete sie mit gedämpfter Stimme, was daran lag,
dass sie ihr Gesicht gegen meine Brust presste. »Er war betrunken. Wollte sich auf
meine Mutter stürzen und warf dabei eine Pfanne mit rauchendem Öl vom Herd.« Sie
machte eine Pause. »Ich war drei damals. Die Narben wachsen mit. Die sind einfach
nicht totzukriegen.«
    Ich schwieg und dachte an all die zerstörte Haut dieser jungen Menschen.
Erst Daniel und Fikret. Jetzt sie, Inez. Was Daniel wohl gesagt hatte, als er sie
zum ersten Mal so sah? Hatte sie ihn vorgewarnt? Hatte sie sich geschämt, hatte
sie geweint? Nein, Inez hatte es bestimmt mit der bewährten Basketballstrategie
probiert. Vorwärtsverteidigung: Nimm mich so oder lass es! Von Trotz beseelt. Ganz
anders als jetzt.
    Völlig anders. In meinen Armen lag ein hilfloser, weicher Körper, der
zu Boden sinken würde, wenn ich ihn nicht hielt. Ich spürte, dass Inez die Augen
geschlossen hatte, dass sie nichts mehr sehen, nichts mehr spüren wollte. Nur noch
den Halt eines anderen Menschen. Verrückt, dass ich dieser Mensch sein sollte.
    Ein tiefer Seufzer. Ihre Brust hob sich an meiner Brust. Verdammt,
jetzt wurde mir doch anders. Was sollte ich tun? Warum war sie hier und zeigte mir
ihre Narben, ihre Verletzlichkeit? Männern zeigte man so etwas nicht. Wollte sie
beichten? Oder etwas ganz anderes?
    Ihr Kopf hob sich. Sie brachte ihre Lippen nahe an mein Ohr und flüsterte,
die Augen noch immer geschlossen: »Ich weiß gar nicht, wo wir hinsollen, wir zwei.
Da ist nirgendwo ein Platz für uns. Ich weiß es wirklich nicht, Max.«
    Wir zwei?, schoss es mir durch den Kopf. Sie und ich? War sie jetzt
völlig von Sinnen? Sie wusste doch, dass ich verheiratet war. Beziehungsweise gewesen
war. Moment mal! Sollte sie deshalb annehmen, ich sei frei und könnte mit jeder
17-Jährigen, die mir gefiel …?
    Bevor ich diesen albernen Gedanken weiterspinnen konnte, schlug sie
die Augen auf und starrte nach oben, in eine Ecke des Zimmers. Und da wurde mir
klar, dass sie nicht von uns beiden gesprochen hatte. Auch nicht von sich und Daniel.
Auf exakt dieselbe Weise hatte sie im Haus ihrer Eltern in die Zimmerecke gestarrt.
Als wir über Thorsten Schallmo sprachen.
    »Du bist schwanger?«, fragte ich. »Von Schallmo?«
    Sie nickte.
    Das also hatte Schallmo bei ihr vergessen. Und darüber hatten sie bei
ihrem letzten Telefonat gestritten. Worüber Männer und Frauen eben so streiten,
wenn sie etwas füreinander empfinden.
    »Scheiße«, sagte ich.
    Und dann war da nur noch große Stille und Wärme
und ein belämmert dreinschauender Privatermittler, der einer jungen Frau über das
Haar strich und sie fest an sich drückte.
    Ein Kind mit 17. Von einem, der erschossen wurde.
Den sie gar nicht geliebt hatte. Oder nur zeitweise. Da konnte man sich schon mal
über die Menstruationswehwehchen einer Klassenkameradin aufregen.
    »Max«, hörte ich sie flüstern. »Kannst du mir einen Grund nennen, warum
ich nicht aus dem Fenster springen soll? Einen einzigen Grund?«
    Ich räusperte mich. »Wenn du springst, springe ich auch«, erwiderte
ich. Es gibt Sätze, die sagt man ein ganzes Leben lang nicht und dann zweimal innerhalb
weniger Stunden. Leider bleibt Stuss auch bei der Wiederholung Stuss. Ich merkte
es und hielt sie ganz fest.
    Gut, dass meine Exfrau in der Tür stand. Wie lange schon, weiß ich
nicht. Ob sie die Situation überhaupt erfasste, ließ sich noch viel weniger beurteilen.
Schwankend stand Christine da, suchte am Türrahmen Halt und sagte mit der tiefsten
Stimme, die ich jemals an ihr gehört hatte: »Gott, ist mir schlecht. Dabei hänge
ich schon den ganzen Tag über der Toilette. Nie wieder

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