Schlossblick: Kollers fünfter Fall (German Edition)
Stellungnahme der Universitätsklinik hierzu?«
»Bedaure«, lächelte die Pressesprecherin, »aber diese Behauptung muss
ich mit Entschiedenheit zurückweisen. Von einer Aufnahme ägyptischer oder anderer
nordafrikanischer Politiker, denen in ihrer Heimat der Prozess gemacht werden soll
und die möglicherweise den Tod unschuldiger Menschen auf dem Gewissen haben, kann
keine Rede sein. Ich weiß nicht, wen die angeblichen Zeugen Herrn Covets – den ich
als Journalisten im Übrigen sehr schätze –, wen diese Zeugen gesehen haben wollen;
um den Präsidenten kann es sich aber auf gar keinen Fall gehandelt haben. Gleiches
gilt für mögliche Beweisfotos.« Mit beiden Händen deutete sie an, dass sie das letzte
Wort in Anführungszeichen gesetzt wissen wollte.
»Was zeigen denn diese Fotos? Herr Covet!«
»Sie zeigen den ehemaligen ägyptischen Staatspräsidenten, offenbar
schwer krank, in Zimmer 015. Dass es sich um einen Raum der chirurgischen Privatstation
handeln muss, ist anhand der Einrichtung erkennbar. Die Aufnahmen stammen von gestern.«
»Und wer hat sie gemacht?«
»Bitte haben Sie Verständnis, dass ich meine Informanten nicht nenne.«
Über Marcs Stimme konnte ich mich nur wundern. Sie war tiefer als sonst, er sprach
betont ruhig und formte jedes Wort einzeln aus. Für mich, der ich ihn kannte, klang
das affektiert, aber in der großen weiten Sendewelt machte er damit bestimmt Punkte.
Nur nicht bei der Kliniktussi.
»So gern ich dieses Verständnis aufbringen würde«,
trällerte sie, »fürchte ich doch, dass Herr Covet sich die Fotos auf illegale Art
und Weise beschafft hat. Es gab am gestrigen Abend einen von Unbekannten offenbar
absichtlich ausgelösten Feueralarm, in dessen Verlauf sich diverse Personen Zugang
zu Patientenzimmern verschaffen konnten.«
»Nicht in dessen Verlauf!«, grölte ich dazwischen. »Sondern vorher,
klar? Als die Sirenen losheulten, hatte ich meinen Kram längst erledigt.«
»Sollten die Fotos«, fuhr die Pressesprecherin fort, »in diesem Zusammenhang
gemacht worden sein, sähen wir uns gezwungen, Anzeige wegen Hausfriedensbruchs zu
erstatten. Ganz unabhängig davon, was die Fotos zeigen oder nicht zeigen.«
»Von einem Feueralarm ist mir nichts bekannt«, entgegnete Covet. »Sie
dürfen natürlich Anzeige erstatten, so viel Sie wollen. Mir geht es nur um die Sache.«
»Die Sache, ja«, seufzte ich und nahm einen Schluck. Zu dumm, dass
die Klinik einen weiblichen Pressesprecher beschäftigte. Bei Frauen fehlte Marc
die Beißhemmung.
Die Türglocke ging. Mir entfuhr ein ärgerliches Brummen. Besucher abzuwimmeln,
gehörte zu Christines Aufgaben. Aber die lümmelte sich ja als Whiskyleiche im Bett
und zählte die Sternchen vor ihren Augen. Oder sie war immer noch sauer wegen des
– ihrer Ansicht nach – missglückten Hochzeitsabends. Typisch! Da hatte sie mal die
Chance auf Qualitätsfernsehen an der Seite ihres Exgatten, aber Madame blieb lieber
im Schmollwinkel.
»Machst du auf?«, rief ich. »Es hat geklingelt!«
Keine Antwort. Koma, Ohrstöpsel oder Verstocktheit, eines dieser Dinge
hielt sie ab, ihrer Hausfrauenpflicht nachzukommen. Mir doch egal. Ich erwartete
keinen Besuch. Der nette Herr Moderator richtete gerade die nächste Frage an Marc.
Wie er dem angeblichen Präsidenten auf die Spur gekommen sei. Es läutete wieder.
»Christine?«
Nach dem dritten Klingeln wälzte ich mich vom Sofa und ging zur Tür.
Denen würde ich was pfeifen, den Fischers und Greiners dieser Welt. Dass sie einen
nicht mal am Sonntagabend in Ruhe lassen konnten! Sollten sie mich vorladen wie
jeden anderen auch.
»Keiner da«, tat ich per Sprechanlage kund.
»Darf ich rein, Max?«, kam es zurück.
»Klar«, sagte ich und drückte den Summer.
Tja, so schnell ändern sich Meinungen. Was drei gestandene Kommissare
nicht geschafft hätten, gelang einer Halbspanierin mit einer geflüsterten Bitte.
Während Inez die Treppe erklomm, versuchte ich meine leicht vernebelten Gedanken
in Gang zu bringen. Dazu kratzte ich mich recht virtuos am Kopf und unter den Rippen
gleichzeitig. Half aber nicht. Talisker und Ägypten hatten mich fest im Griff.
»Hi«, sagte ich, als sie vor mir stand. »Na, alles in Ordnung?«
Inez schwieg, und das hätte ich wohl auch besser getan. In Ordnung
war bei dem Mädchen schon lange nichts mehr. Die Lippen aufeinander gepresst, starrte
sie mich aus verheulten Augen an. Was war aus der jungen Furie geworden, die ihre
Klassenkameradinnen vom Basketballfeld
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