Schlüsselherz (German Edition)
mich.“
Valender trank einen Schluck Tee. „Was hat er gesagt?“
„ Was sollte er schon gesagt haben? Das Übliche.“ Die Frustration ließ Cera schnauben. „Ich sei eine Schande, das sagte er. Eine wa n delnde Gotteslästerung. Magische Spielerei. Tot geboren . All die Propaganda der extremistischen Konservativ iste n.“ Sie mus s te sich beher r schen, um Valender ihre Erregung nicht erkennen zu lassen. „Und zum Schluss verkündete er, er sei von Gott geschickt, um den Makel zu beheben, den ich darstelle. Aber ich sage es Ihnen, Vale n der, Gott war das nicht, der im Ten Bells saß, Bier trank und telef o nierte.“
„ Gottes Wege nennt man nicht umsonst unergründlich“, spottete Valender, aber es war freundlicher Spott, er heiterte Cera ein wenig auf.
„ Mag sein. Aber seit wann benötigt Gott mechanische Arme?“
Valender hob erstaunt die Brauen.
„ Ich sah es zufällig, als er seinen metallenen Krug abstellte. Seine Finger hinterließen Druckstellen, feine Rillen. Das vermögen nur mechanische Glieder, wenn diese schlecht justiert sind. Und da hä t ten wir auch gleich das Motiv. Jemand neidet mir meine präzise Feineinstellung. Ach, aber was rede ich? Es gibt so viele Menschen wie diesen. Ich suche immer nach Gründen, aber Mrs Keyman sagt, für Fremdenhass und Dummheit braucht der Mensch keinen Grund.“ Um sich zu Hilfsbereitschaft herabzulassen, brauchten Menschen dagegen sehr gute Gründe. Sie konnte nur hoffen, dass die ihren den Buchhändler überzeugten.
Er spielte mit seinem Löffel, während er überlegte, und ließ die gebogene Unterseite im Kreis über den vergoldeten Rand der Te e tasse streichen. Das helle Schaben brach die Stille nicht, es betonte sie. Schließlich sagte er: „Kann der Angriff im Zusammenhang mit dem Grund stehen, aus dem du dich an den Privatermittler gewandt hast?“
Endlich. Endlich hatte sie ihn dort, wo sie ihn haben wollte, und er stellte die richtige Frage.
Cera hob die Hand und berührte mit zwei Fingern ihre Lippen. „Sie meinen … ach herrje. Daran hab ich keinen Moment lang g e dacht. Wenn das wahr ist, dann …“ Unauffällig fuhr sie mit dem rechten Daumen in die Ellenbeuge des linken Arms, wo sich unter der synthetischen Haut ein winziges Zahnrädchen verbarg. Sie drehte daran, eine Vierteldrehung war mehr als genug. Schon spürte sie, wie mit leichtem Kribbeln Farbe aus ihrer Haut wich und sie erblasste. Sie schob das Rädchen wieder ein wenig zurück in Richtung Au s gangslage. Wenn Valender bemerkte, dass sie bleich wurde, würde das sein Misstrauen wecken. Sie musste diese menschenähnliche R e gung subtil einsetzen, damit es ihren Schrecken verkörperte, ohne dass er dessen gewahr wurde. Ein Flirt mit dem Unterbewusstsein.
Valenders Miene verdüsterte sich, aber nicht, weil er ihren schän d lichen, kleinen Schwindel durchschaute. Dass sie sich ängstigte, gefiel ihm offenbar nicht. Da sind wir schon zwei, dachte sie pragmatisch und schämte sich nur eine Sekunde für den Trick. Das Gefühl war schließlich echt, sie hatte fürchterliche Angst, wenn auch nicht um sich selbst. Sie konnte auf sich aufpassen. Yasemine hatte das nie gekonnt, sie war zu gutgläubig, zu naiv und vertrauensselig.
„ Was ist passiert?“, fragte Valender. „Wozu brauchst du diesen Privatdetektiv?“ Seine Stimme war noch dunkler geworden. Sie hatte etwas Beruhigendes an sich, wie weit entferntes Donnergrollen, wenn man Gewitter mochte. Und Cera mochte Gewitter sehr.
„ Meine Freundin wurde entführt.“ Erstaunlich, dass dieser Satz, obschon sie ihn sicher zum fünfhundertsten Male aussprach, nie an Gewicht verlor. Er legte eine schwere Last auf Ceras Schultern. „Yasemine ist aus meinem Ensemble, sie ist so etwas wie meine Schwester, geschaffen vom gleichen Puppenmacher. Wir kamen z u sammen nach Royal Britannien. In den letzten fünfzehn Jahren w a ren wir unzertrennlich. Und nun ist sie fort.“
„ Entführt?“, fragte Valender. Skepsis spielte in seinem Gesicht mit Verwunderung. „Wer sollte eine Puppe entführen?“
„ Sie ist nicht die Erste . Ende letzten Jahres wurde im Thames Theatre eine Puppe entführt, im Januar verschwand dann die erste aus dem Keyman Theatre. Ayla. Wir dachten zunächst nichts Böses. Ayla träumte davon, nach Ägypten zu gehen, oder zurück in unsere Heimat nach Dubai. Wir glaubten, sie hätte ihren Wunsch wahr g e macht . Wir haben uns für sie gefreut, heimlich natü r lich. Aber dann verschwand Yasemine.“
„
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