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Schlüsselherz (German Edition)

Schlüsselherz (German Edition)

Titel: Schlüsselherz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Abigail
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Tage gackernd und quiekend bei ihm vorstellen; und wenn nicht die, dann deren bedauernswerte Männer mit dem Wunsch nach einer kleinen, bitteren Racheaktion in Form eines ehrlichen Portraits.
    Nathaniel liebte das Künstlersein, denn es bot ihm die einmalige Gelegenheit, Menschen zu beschämen und dafür auch noch bezahlt zu werden. Fürstlich bezahlt.
    Er griff sich einen Zahnstocher vom Utensilientisch, leckte die Spitze an und fuhr damit sacht die horizontale Stirnfurche seiner Auftraggeberin nach.
    „ Gar nicht übel, bedenkt man die Ausgangslage, mit der diese scheußliche alte Vettel gestraft ist. Was sagt ihr, meine Damen?“ Er blickte nacheinander in die Gesichter sieben träger Katzentiere, die so stumm wie dekorativ auf allen bequemen Plätzen thronten, über die das Atelier im Dach seiner Villa verfügte. Die Schwarze – sie hieß Mrs Charles, wie alle anderen, und war dazu bedauernswerterweise ein Kater –, ließ sich zu einem Blinzeln herab. „Danke, danke.“ Nathaniel verbeugte sich so tief, dass ihm das Haar ins Gesicht und vor die Augen fiel. „Ich wusste, ihr würdet mich feiern.“
    Die rote Mrs Charles öffnete das Mäulchen zu einem kläglichen „Meeh“, was in aller Regel zu übersetzen war, mit: „Wir liegen im Sterben, unbarmherziger Mensch. Der gräuliche Hungertod ist nah. Rette uns.“
    Es war der Hang zur Dramatik, den Nathaniel an seinen Hausti e ren so schätzte. Ihre bloße Anwesenheit ersparte ihm Theater- und Opernbesuche. Sich fürs Geschäft mit Menschen abgeben zu mü s sen, war ihm mehr als genug Kontakt zu seinesgle i chen .
    Er kratzte sich am Kinn, wobei er etwas Mumie in seinen Dreit a gebart einarbeitete, und betrachtete eine Maus, die sich, von ihrer adipösen Leibesfülle deutlich gehemmt, über einen der Balken u n term Dach schleppte.
    „ Oha“, kommentierte Nathaniel seine Beobachtung. „Ladys, etwas hier läuft nicht rund, und die Mäuse sind es eindeutig nicht.“ Er zog seine Taschenuhr aus der hinteren Hosentasche und ließ sie au f schnappen. Zum Teufel, er war spät dran. Für gewöhnlich kam er zu Dinner-Einladungen aus Prinzip zu spät, und das nur mit den besten Absichten, wobei er ausschließlich an das Wohl seiner Mitmenschen dachte. Sich bei Häppchen, Nüssen und Champagnermischgeträ n ken, die allein für sich bereits eine Beleidigung darstellen, vom b e langlosen Geplauder der High Society langweilen zu lassen, führte bei ihm immer zu missmutigen Stimmungen, die sich in zynischen Bemerkungen äußerten, die wiederum von einigen Banausen fälschl i cherweise als Frechheiten bezeichnet wurden. Was die einzig wahre Frechheit war!
    Es war für alle Beteiligten angenehmer, wenn er eine gewisse Kryptik pflegte, erst zum Hauptgang erschien, seine grauen Augen kühl und unnahbar funkeln ließ – wie er das tat, wusste er nicht, die Damen hatten ihn lediglich wissen lassen, dass er es tat – und vor dem Dessert wieder entschwand. Zum Wohle der Allgemeinheit nahm er dieses Opfer klaglos auf sich, dabei war all das nicht einmal seine Schuld. Es musste etwas Pathologisches sein, vielleicht eine Art mit Misanthropie verwobenes Tourettesyndrom. Eine gute Idee, die sollte er sich merken. Wie viel mehr Freiheiten würde eine solche Diagnose ihm geben? Man musste sich das einmal vorstellen! Er könnte den brechreizerregenden Mundgeruch des Premierministers als brechreizerregenden Mundgeruch bezeichnen, sogar als ve r gleichbar mit dem Mundgeruch derer, die schon zwei Wochen oder länger tot waren. Ungestraft! Er könnte in aller Öffentlichkeit und ohne den Verlust von Körperteilen darauf hinweisen, dass der jüng s te Bruder der Königin sich Mätressen hielt, die der gemeine Kinde r schänder noch mit der Aussicht auf Sammelsticker der Royals in se i ne Kutsche locken musste. Er könnte die Intelligenz hochgestellter Personen endlich mit jenen Metaphern und Adjektiven beschreiben, die der Ehrlichkeit entsprachen, ohne befürchten zu müssen, dass man ihm dafür die Zunge herausbrennen würde, wie einst seinem bedauernswerten Herrn Vater (R.I.P.). Die Männer würden aus den Ohren rauchen und die Damen in Ohnmacht fallen und sich die Köpfe anhauen. Zum Teufel, welch köstliche Gedanken! Irgendwer könnte dann im Hintergrund verhalten „schwere Form des Tourett e syndroms“ murmeln, worauf die Ladys mit mehr Standfestigkeit seufzen und schmachten würden: „Ach, was für ein armer, bekl a genswerter, begabter und schwer leidgeprüfter Mann Mr Nathaniel

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