Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schlüsselherz (German Edition)

Schlüsselherz (German Edition)

Titel: Schlüsselherz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Abigail
Vom Netzwerk:
Autorität zu verleihen. „Deine Schwester ist achtzehn Jahre alt und kein kleines Kind. Du beschämst sie, wenn du zulässt, dass sie unnötig in Situationen ges e hen wird, die bei einem Kind schon albern genug sind.“
    „ Es ist nur Dr. Harold, Vater. Er hat sie schon in ganz anderen S i tuationen erlebt, als spielend auf dem Fußboden.“
    „ Das rechtfertigt keine unnötigen Peinlichkeiten. Wenn es dir in meinem Haus nicht behagt, Sohn, dann bist du jederzeit autorisiert zu gehen. Ende der Diskussion. Jetzt hilf mir, oder muss ich nach Melissas Gouvernante rufen, weil ihr eigener Bruder sich zu fein ist, ihre Füße anzuheben?“
    „ Sie will es doch gar nicht“, brach es aus Valender hervor, aber ein weiterer abschätzender Blick seines Vaters bewirkte, dass er seinen Worten zum Trotz nach Melissas Beinen fasste und half, sie bequem ins Bett zu legen. Sie wehrte sich nicht länger, ihr Widerstand schmolz zu einem lang gezogenen Brummen zusa m men, das an das Knurren verängstigter Katzen erinnerte.
    „ Du kannst gehen“, sagte Phillip Beazeley, während er Melissa bis über die Brust zudeckte und ihre Hände auf die Decke legte.
    Valender hatte andere Pläne. „Ich würde gern mit Dr. Harold sprechen, wenn du erlaubst.“
    Sein Vater starrte Melissas Hände an. „Wozu? Was erwartest du dir davon? Glaubst du, du könntest etwas besser machen?“
    Stumm schüttelte Valender den Kopf. Die hohe Wahrscheinlic h keit, dass sich an Melissas Zustand nie wieder etwas ändern würde, war es, was seinen Vater so sehr bekümmerte, dass er kalt und hart geworden war. Nicht, dass Phillip Beazeley je ein herzlicher Mann gewesen wäre, aber früher, als seine Frau noch gelebt und seine g e liebte Tochter ein aufmüpfiges, lebenshungriges Mädchen gewesen war, hatte er den Menschen noch in die Augen sehen können.
    „ Das dachte ich mir“, sagte Phillip Beazeley herablassend, nahm eine Bibel aus dem höchsten Regal und legte sie auf Melissas Nach t tisch, neben die Lesekerze mit dem blütenweißen Docht, der nie entzündet werden würde. „Neugierig, das bist du. Bloß neugierig. Sonst nichts.“
    Valender erwiderte nichts, es hätte keinen Sinn gehabt. Aber er blieb.
     
    Dr. Harold kam wie immer etwas später als angekündigt über den Flur geeilt und in das Zimmer gestürmt, als wäre das Leben der Pat i entin in akuter Gefahr. Sobald aber die Tür hinter sich zuschlug, en t spannte er sich und wurde vom einen auf den nächsten Moment zur Verkörperung von Ruhe und Besonnenheit. Er nickte Valender freundlich zu, nahm seinen Hut ab, und mit einem Lächeln trat er an Melissas Bett.
    „ Was für eine Freude, Sie zu sehen, Miss Beazeley, Sie sehen b e zaubernd aus.“
    Melissa gluckste.
    „ Nein, wirklich, Sie brauchen sich gar nicht zu zieren, Miss. Ehre , wem Ehre gebührt. Wie geht es Ihnen heute? Ah, die Sonne scheint, ich dachte mir während des Weges schon, dass Sie guter Laune sind.“
    „ Ihr Zustand hat sich nicht verändert“, sagte Valender, obwohl er ahnte, dass sein Vater den Doktor schon informiert hatte.
    „ Nicht?“ Dr. Harold warf Melissa einen tadelnden Blick zu, doch sie gluckste. Sie schien zu ahnen, dass der Doktor Scherze mit ihr trieb. Wie erwartet lächelte er und zeigte eine Reihe riesiger, nikoti n gelber Zähne. „Sie denken eben an mich, Miss Beazeley, Sie sind doch meine Altersvorsorge, und dafür hab ich Sie gern.“
    Valender schmunzelte. Dr. Harold war für seinen eigensinnigen Humor bekannt. Dieser passte gar meisterhaft zu dem skurrilen Bild, das er abgab. Er war hager, fast bis zum oberen Türrahmen groß, und trug schwarze Anzüge, die ihm an Armen und Beinen ein Stück zu kurz waren, weil er nach eigener Aussage keine Geduld für Spez i alanfertigungen besaß und lieber unpassende Konfektionsgrößen von der Stange kaufte. Dazu hatte er ein langes, blasses Gesicht, von der Art, mit dem Romanautoren den klischeehaften Friedhofswäc h ter bedachten. Die meisten Kinder brüllten vor Furcht, wenn sie ihm zum ersten Mal begegneten – selbst viele Erwachsene schraken vor ihm zurück. Doch normalerweise brauchte es nur eine einzige B e handlung, bis der Doktor die Patienten von sich überzeugt hatte, was zum einen Teil an seinem tröstenden, beruhigenden Wesen lag und zum anderen an seinen erstaunlichen Heilungserfolgen.
    „ Melissa sollte bei so strahlendem Sonnenschein nicht im Bett li e gen“, sagte er, nun ernst geworden, an Valender gewandt.
    „ Ich werde sie gleich mit

Weitere Kostenlose Bücher