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Schlüsselherz (German Edition)

Schlüsselherz (German Edition)

Titel: Schlüsselherz (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Abigail
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in den Garten nehmen. Die Wiese ist noch zu feucht, um eine Picknickdecke zu benutzen, aber wir haben ja den Rollstuhl.“
    „ Ich habe Ihrem Vater schon gesagt, dass es für die oberflächl i chen Untersuchungen, die ich bei Melissa für ausreichend erachte, nicht notwendig ist, dass sie im Bett liegt. Es wäre schön, wenn ich sie beim nächsten Mal im Garten antreffen würde.“
    Valender seufzte. Er sah das ebenso, aber sein Vater hatte stoc k konservative Ansichten über den korrekten Benimm.
    Der Doktor nickte wissend, ohne dass Valender etwas sagen mus s te. „Sie kümmern sich gut um ihre Schwester, Valender. Ich sage Ihrem Vater gleich, dass ich Melissa gern einmal in anderer Umg e bung beobachten würde. Wie lief es denn in der letzten Woche? War alles in Ordnung?“
    Das war eine gute Frage, auf die Valender nicht sofort eine An t wort fand. Melissas Anfall im Park konnte man nicht wirklich als in Ordnung bezeichnen.
    Der Doktor hatte seinen Gesichtsausdruck offenbar richtig gede u tet, er klopfte ihm sacht auf die Schulter. „Manchmal ist es hart, nicht wahr?“
    „ Nicht der Rede wert“, widersprach Valender. Melissa hörte zu. Man wusste nie, wie viel sie verstand. „Es ist in Ordnung , wie es ist, wir kommen zurecht.“
    Dr. Harold wirkte betreten, seine heitere Laune war wie fortg e weht. „Junger Mann“, sagte er zu Valender, wie er es schon getan hatte, als dieser ein Knilch von einem Meter Größe gewesen war, „seien Sie ehrlich zu sich selbst und auch zu mir. Wir müssen uns nichts vormachen. Es ist hart.“ Auch seine Stimme wurde bei diesen Worten hart. „Zu leugnen, was wir fühlen, macht nichts besser. Fl u chen Sie, Valender, fluchen Sie für Ihre liebe Schwester mit, denn sie tut es nur darum nicht, weil sie dafür nicht mehr genug in der Birne hat.“
    „ Doktor, bitte. Sie hört uns zu.“
    Der Doktor schmunzelte. „Denken Sie? Dann lassen Sie sie hören, dass Sie für sie fluchen, Valender!“
    „ Tun Sie das denn auch?“ Valender spielte auf die Tochter des Doktors an, die seit einer Viruserkrankung vor acht Jahren im Koma lag. Nie zuvor war er dem Arzt derart nah getreten, doch dieser schien es ihm nicht übel zu nehmen . Er schüttelte leicht den Kopf, die Falten um seine Augen vertieften sich als einz i ges Zeichen seiner Anspannung.
    „ Mehr als das, mein Junge. Ich fluche, schreie, weine, wenn es das braucht.“
    „ Und? Wird es davon besser?“
    Der Doktor sah auf und runzelte die Stirn. „Höre ich Zynismus in Ihrer Stimme, Valender? Ich weiß, dass Sie ein pragmatischer Mann sind, bei dem trockenen, alten Knochen, der Sie gezeugt und erz o gen hat, ist das auch kein Wunder. Aber lassen Sie sich eins gesagt sein von mir. Und glauben Sie mir , ich weiß, wovon ich rede, ich bin Arzt. Die Gesundheit des Körpers ist nicht immer das, was das Glück ausmacht.“
    „ Das sagt sich leicht, wenn man selbst gesund ist“, warf Valender ein, aber der Doktor schüttelte nun entschieden den Kopf.
    „ Nein, nein, machen Sie es sich nicht zu einfach! Schauen Sie ihre kleine Schwester an. Schwachsinnig.“
    „ Doktor!“, mahnte Valender, seine Stimme klang drohend und dunkel in seinen eigenen Ohren. Das Gespräch kippte in eine Ric h tung, die ihm Unbehagen bereitete, vor allem vor Melissa. Doch sie schenkte dem keine Beachtung und spielte ungerührt an Valenders Fingernägeln.
    „ Doch, doch“, sagte Dr. Harold. „Schwachsinnig. Mit schwachem Sinn. Kaum Licht im Oberstübchen. So ist es, so muss man es ne n nen. Eine der tragischsten Erkrankungen, denn kranke Glieder kann man amputieren und mit Prothesen ersetzen, kranke Organe mit viel Glück und etwas Gottwollen gegen gesunde tauschen. Nur den Geist, die Seele, die kann man weder transplantieren noch heilen. Ist das nicht ein Jammer?“ Der Doktor legte die Hände wie im Gebet zusammen und sah Valender eindringlich an. „Und doch ist sie mu n ter und freut sich an Kleinigkeiten, wie etwas Sonne auf der Haut oder dem Sekundenzeiger an Ihrem Chronografen. Sehen Sie sich stattdessen Ihren Vater an. Der Körper ist stark wie ein Pferd, aber in ihm drin“, er wölbte die Brauen, „da ist alles vergiftet und ve r fault.“ Dr. Harold nahm die Hände auseinander, nur um sie unter einem hohlen Klatschen wieder zusammenzuschlagen. „Nur die Se e le ist es. Sie macht uns zu dem, was wir sind.“
    „ Vielleicht haben Sie recht“, sagte Valender hohl, weil er darüber nicht zu reden bereit war, und fügte in Gedanken

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