Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens
Werte unser künftiges Zusammenleben tragen können. Was schenkt den Menschen Lebenssinn? Welche Werte helfen uns im Umgang mit Konflikten? Weltweit diskutieren Politiker, Wissenschaftler, Schriftsteller und Unternehmer die Chancen zu einer Verständigung über nationale, ethnische, kulturelle und religiöse Grenzen hinweg. Ich bin davon überzeugt, dass eine internationale Verständigung nur im Respekt vor den geschichtlichen, kulturellen und religiösen Wurzeln möglich ist.
Aus der Erfahrung heraus, dass gerade die religiöse Prägung und Lebensform die Grundüberzeugungen der Menschen in wesentlicher Weise bestimmt, lieà mir die Frage keine Ruhe, ob nicht die Religiosität der Gesellschaften uns Aufschluss über deren Werte, Gottesvorstellungen und viele andere Lebensbereiche geben könnte. Ob nicht eine Erforschung der Religiosität entscheidende Bausteine unseres kulturellen Miteinanders offenlegen und damit verständlich machen könnte. Und bietet nicht genau ein solcher Einblick die Chance, etwas darüber zu erfahren, was die Menschen auf der ganzen Welt über alles Trennende hinweg verbindet, was ihnen gemeinsam ist?
Mit meinem Mann habe ich diese Möglichkeiten intensiv diskutiert. Wie oft hatte er in seinen Büchern und Artikeln jahrzehntelang die mangelnde Dialogfähigkeit in Politik und Wirtschaft kritisiert und ein radikales Umdenken gefordert, um unsere Gesellschaft zukunftsfähig zu machen. Wir waren uns einig, dass eine Untersuchung religiöser Lebensmuster in den groÃen Weltreligionen hilfreiche Einsichten für das globale Miteinander bieten könnte. Denn
über die unmittelbare Dialogfähigkeit zwischen Menschen und Nationen hinaus stellte sich mein Mann auch die Frage, ob nicht erst aus der Verbindung von Demokratie und geistiger Orientierung eine Ordnungskraft zu entwickeln wäre, die den weltweiten Gefahren autoritärer Systeme gewachsen ist.
Ich stimmte ihm uneingeschränkt zu, denn ich bin der festen Ãberzeugung, dass die Demokratie nur zukunftsfähig ist, wenn sie die Herzen der Menschen gewinnt, wenn sie in ihrem Handeln unmittelbar auf die Lebensbedürfnisse der Bürger ausgerichtet bleibt. Wie schwer das ist, zeigt die Politikverdrossenheit in unserem Land und in weiten Teilen Europas.
Was aber kann uns aus diesem Dilemma heraushelfen? Was gibt uns Aufschluss über das, was Menschen bewegt? Eine erste Bestandsaufnahme konnte die Erforschung der Religiosität in verschiedenen Ländern bringen, die die Bertelsmann Stiftung 2007 mithilfe eines interdisziplinären Instruments entwickelte: des von mir initiierten Religionsmonitors der Bertelsmann Stiftung. 58 Mithilfe von Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen aus den Fachbereichen Soziologie, Psychologie, Theologie und Religionswissenschaft verglichen wir den Grad der Religiosität und ihrer Alltagsbedeutung für die modernen Gesellschaften. Welche Bedeutung hat die Religiosität für den einzelnen Menschen? In welcher Intensität wird der persönliche Glaube praktiziert? Wie stark prägt die Religiosität die Gesellschaften? Diese und weitere Fragen beantwortet der Religionsmonitor.
In einer repräsentativen Erhebung wurden über 21 000 Menschen in einundzwanzig Ländern interviewt. Hinter diesen Zahlen stehen einzelne Menschen, die sehr konkret
aus ihrem Leben erzählen und so von ihrer Weltanschauung und ihrem persönlichen Lebenssinn berichten. Die Befragten sind repräsentativ für Millionen anderer Menschen rund um den Globus. So gewährt uns der Religionsmonitor tiefe Einblicke in die Weltreligionen und lässt uns teilhaben an zahlreichen Kulturen in allen Erdteilen.
Im Jahr 2009 veröffentlichte die Bertelsmann Stiftung die Analysen und Kommentare des Religionsmonitors in einer ersten groÃen Studie mit dem Titel »Woran glaubt die Welt?« 59 Die Ergebnisse haben uns überrascht. Durch alle Kulturen und Religionen hindurch war eine vergleichbare Idee von Religiosität nachweisbar, die in Bekenntnissen zu einer verantwortungsvollen Lebensführung ihren Ausdruck fand. Wer sich religiös orientierte, war weniger in Gefahr, allein einem persönlichen Glücksverlangen zu huldigen, sondern fühlte sich immer auch den Zielen einer Gemeinschaft verpflichtet. Ãber Sprachen und Kulturen hinweg verwiesen die Befragten auf Begriffe wie Toleranz, Wahrhaftigkeit, Verantwortung und persönliche
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