Schluesselmomente - Erfahrungen eines engagierten Lebens
Aufrichtigkeit, wenn sie ihr Verständnis von gelungener Religiosität zu beschreiben suchten.
Mich haben diese Ergebnisse sehr berührt, sie haben mir Mut und Hoffnung für meine Arbeit gegeben. Offenbart sich in der überwältigenden Haltung der Befragten nicht ein Code der Menschlichkeit, den wir alle in uns tragen? An den es zu appellieren gilt, wenn wir in einer internationalen Gemeinschaft die Herausforderungen der Zukunft bewältigen wollen? Vielleicht vermag uns allein unsere unablässige Suche nach gemeinsamen Wurzeln, nach verbindenden Werten, Hoffnungen und Zielen helfen, den dornigen Pfad der internationalen Verständigung weiter zu beschreiten.
VERANTWORTUNG FÃR BERTELSMANN
UNTERNEHMENSKULTUR ALS ERFOLGSGESCHICHTE
Im Jahr 2010 durften wir das 175-jährige Bestehen des Hauses Bertelsmann feiern. 60 Kaum ein anderes Medienunternehmen weltweit verfügt über eine so lange Tradition und Geschichte. Als protestantisches Verlagshaus in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet, gehörten das soziale Engagement, die Fürsorge für die Mitarbeiter und ihre Familien, der Bürgersinn für den heimatlichen Standort sowie der Aufbau und die wohltätige Unterstützung von sozialen Einrichtungen von Anfang an dazu. Die Familien Bertelsmann und Mohn haben im 19. und 20. Jahrhundert in ihrer Heimatstadt eine Schule, einen Kindergarten und eine Bibliothek gegründet und mit dem Aufbau von Betriebsrenten und Krankenversicherungen die sozialen Grundlagen unternehmerischer Verantwortung früh definiert. 61 Ein solches Erbe ist Anspruch und Ansporn zugleich.
In den Erzählungen meines Mannes war die Erinnerung an seine Eltern und GroÃeltern immer sehr lebendig. Das protestantische Denken seiner Vorfahren hat meinen Mann stark geprägt, vieles von dem, was er als Kind erfahren hatte, konnte und wollte er weiterführen. Doch die wechselvolle Geschichte des 20. Jahrhunderts, die Verheerungen, die der Nationalsozialismus und zwei Weltkriege über Deutschland brachten, hatten auch Bertelsmann schwer getroffen. Als mein Mann im Januar 1946 aus der amerikanischen
Kriegsgefangenschaft heimkehrte, lagen groÃe Teile seiner Heimatstadt und des Verlagshauses in Trümmern. Sein ältester Bruder Heinrich war im Krieg gefallen, sein Vater schwer krank. Mein Mann war gerade mal fünfundzwanzig, und alle Last des Wiederaufbaus lag auf seinen Schultern. Doch so jung er war, so stand er doch in der Tradition unternehmerischer Verantwortung, und er nahm die Aufgabe, die ihm das Leben gestellt hatte, auÃerordentlich ernst. 62
Aus unseren unzähligen Gesprächen, aber auch aus Hunderten von Notizen, die heute in unserem Unternehmensarchiv aufbewahrt werden, 63 weià ich, dass er von Anfang an unablässig über seine unternehmerischen Aufgaben und Ziele nachdachte. Sosehr er einerseits die Tradition unternehmerischer Verantwortung bewahren wollte, so unkonventionell trieb er andererseits Ideen voran, die ihm für die Herausforderungen seiner Zeit und unserer modernen Gesellschaft notwendig erschienen. Bereits in den fünfziger Jahren entwickelte er gemeinsam mit seinem Vertriebsleiter Fritz Wixforth die Struktur für eine der weltweit gröÃten Buch- und Vertriebsorganisationen, indem er Bücher über Katalog und Vertreter direkt zu den Menschen nach Hause brachte. Weitere Industrie- und Dienstleistungsbereiche kamen hinzu. Im Deutschland der Nachkriegszeit gehörte er zu den ersten Unternehmern, die bereits in den sechziger Jahren begannen, ins Ausland zu expandieren.
Mein Mann hat nie vergessen, wie schwer es in den Jahren des Aufbaus für ihn war, die Banken von der Notwendigkeit neuer Kredite zu überzeugen. Meine Kinder erinnern sich bis heute gut an Familienurlaube, bei denen ihr geliebter »Tata« ganz plötzlich wegfliegen musste â fast immer, weil es ein Problem mit den Banken gab und er die Herren
dort von seinem Investitionsbedarf überzeugen musste. Das ungeheure Wachstum der Nachkriegsjahrzehnte hielt viele Herausforderungen für ihn bereit, schlaflose Nächte und immer neue überraschende Sorgen und Nöte. Er lief dann oft an den Wochenenden stundenlang durch die Natur, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, aber er sprach mir gegenüber auch aus, was ihn bedrückte.
An der Seite Reinhard Mohns habe ich gelernt, dass es auch in einem erfolgreichen Unternehmen Höhen und Tiefen gibt, dass
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