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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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gebrochenen Rippen zusammenzuhalten. Nach einer Woche oder so – seiner Trauerzeit, wie er später darüber sagte – stand er eines Abends im hintersten und tiefsten seiner Räume, am Ende des Ganges, der zu dem neuen Atrium führte, wo er plante, einen Zitronenbaum oder vielleicht eine Quitte zu pflanzen. Es war übernatürlich still. Die Erde schien mit ihm und für ihn zu atmen.
    Und auf einmal sah er Dinge, alle möglichen Dinge, einen Bilderrausch von vorläufigen Skizzen und fertigen Vorstellungen, die vor ihm über die Wand flackerten wie Thomas Alva Edisons laufende Bilder. Was er da sah, das war eine dreißig Hektar große unterirdische Grotte, die ihn immer weiter in sich hineinlockte, ein Labyrinth, so groß wie kein anderes, mit Fischteichen und Gärten, die nach oben zum Himmel hin offenstanden, und mehr, noch viel mehr – einen Souvenirladen und ein italienisches Restaurant mit Blick auf die beleuchteten Höhlenfluchten und einen Abstellplatz für die Kutschen und Automobile der Gäste, die in Scharen anrücken würden, um zu betrachten, was er in seinem Leben geschaffen hatte. Es war eine vollkommene Vision, noch viel beredter als jede Blaupause oder Rißzeichnung, und sie machte ihn richtig benommen. Er war noch ein junger Mann, dessen Verletzungen mit jedem Tag verheilten, und auch wenn er noch einen weiten Weg vor sich hatte, so wußte er jetzt wenigstens, wohin es gehen sollte. Baldassare Forestieres unterirdische Gärten , sagte er vor sich hin, probierte den Namen aus, und dann sprach er ihn laut und deutlich: »Baldassare Forestieres unterirdische Gärten.«
    So stand er in der immerwährenden Stille unter der Erde, streckte den Arm zu der Wand vor sich aus, den linken Arm, und hob die Handfläche, wie um eine heilige Stätte zu segnen. Und dann, etwas ungelenk zunächst, doch mit wachsender Routine und Geschicklichkeit, begann er zu graben.

Nach der Pest
    Nach der Pest – eigentlich war es eine Mutation des Ebola Virus, von Hand zu Hand und von Nase zu Nase übertragen wie eine banale Erkältung – war das Leben anders. Entspannter und überschwenglicher, einfach natürlicher. Die Hektik war vorbei, die Autobahnen waren frei von Staus bis rauf nach Sacramento, und unser armer schrumpfender, ausgeplünderter Planet war auf einmal wieder groß und geheimnisvoll. Im Grunde war es ein richtiges Wunder, auf das die Umweltschützer seit langem gewartet hatten, obwohl sich natürlich auch die verbissensten unter ihnen nicht die eigene Ausrottung gewünscht hätten, aber so war es nun einmal. Ich möchte hier nicht herzlos klingen – meine Eltern waren zwar schon lange tot, und ich bin ein unverheiratetes Einzelkind, aber ich habe trotzdem Freunde, Kollegen und Nachbarn verloren, genau wie alle anderen Überlebenden. Ich meine die paar von uns, die es überhaupt noch gibt. Wir schätzen, daß es etwa einer von tausend geschafft hat, jedenfalls hier in den Staaten. Sicherlich haben im Amazonasbecken oder in den entlegenen Tälern von Indonesien ganze Stämme überlebt, außerdem Meteorologen in isolierten Wetterstationen, Waldbrandposten, Ziegenhirten und so weiter. Aber der Präsident ist hops, der Vizepräsident, das gesamte Kabinett, der Kongreß, die Oberbefehlshaber der Militärgattungen und auch alle Aufsichtsratsvorsitzenden, die geschäftsführenden Manager und Direktoren sämtlicher Unternehmen im Dow Jones, zusammen mit all ihren Aktieninhabern, Angestellten und Zuarbeitern. Fernsehen gibt’s keins mehr. Elektrizität und fließendes Wasser auch nicht. Und Essengehen kann man sich ebenfalls für eine Weile abschminken.
    Eigentlich ist es ja ein Riesenglück, daß ich euch das hier überhaupt erzählen kann – im Grunde der reinste Zufall. Ich war nämlich gerade nicht unter meinen Mitmenschen, als die Seuche zuschlug – ich mußte nicht in stickigen Flugzeugkabinen oder drängelnden Supermarktschlangen mein Leben fristen, für mich gab es weder Konzerte noch Sportveranstaltungen, noch überfüllte Restaurants – die intimste menschliche Begegnung war ein Telefongespräch mit meiner Hie-und-da-Freundin Danielle, von einer Tankstelle im Vorgebirge der kalifornischen Sierras aus. Kann sein, daß ich ihr über die Leitung ein Küßchen geschickt habe, wobei meine Lippen höchstwahrscheinlich das Mundstück aus geformtem Plastik berührten, in das vor mir wahre Horden von Fremden geatmet haben dürften, aber das war gut zwei Wochen bevor das erste Opfer, das vermutlich gerade von einer

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