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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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irgendwelcher Terroristen mit einem farb- und geruchlosen Nervengas – Sarin oder so –, schaltete ich das Radio wieder an, begierig auf Neuigkeiten.
    Es kam gar nichts. Kein Strauss, kein sachlich-knapper NPR -Korrespondent mit Nachrichten über Aufstände in Cincinnati und den bevorstehenden Zusammenbruch der gesamten Infrastruktur, kein rechtsradikaler Talkmaster, kein Hip-Hop, kein Jazz, kein Rock. Ich probierte die Mittelwellenbänder, und nach zermürbender Suche kriegte ich ein schwaches Signal herein, das so klang, als stünde der Sender auf dem Grund der Santa Monica Bay. Dies ist nur ein Test , verkündete eine mechanische Stimme, inzwischen nur noch als allerleisestes blechernes Raunen, im Falle eines tatsächlichen Notfalls lassen Sie Ihre Radiogeräte bitte eingescha... – dann war nichts mehr zu hören. Während ich noch herumdrehte, um den Sender wiederzufinden, setzte auf einer anderen Frequenz spanisches Gejammer ein. Es war nur ein einzelner Mann, der sehr aufgeregt und unermüdlich weiterzeterte, und ich hörte ihm voller Staunen und Entsetzen zu, bis der Sender kurz nach Mitternacht plötzlich abbrach.
    In jener Nacht konnte ich nicht schlafen. Langsam dämmerte mir die Größenordnung dessen, was da in der Welt unter mir vorging – das war keine Ente und auch keine alltägliche Katastrophe oder nur eine Verschleißerscheinung des Gesundheitssystems; es war der Anfang vom Ende, die Apokalypse, das völlige Scheitern und endgültige Dahinscheiden der Spezies Mensch. Mir tat das Herz dabei weh. Wie ich so im Schutz der Hütte im absoluten und beständigen Dunkel der Wildnis dalag, verzehrte mich die Angst. Ich lag auf dem Bauch und lauschte dem steten Donnern meines Herzens, das auf die Matratze einhämmerte, spürte noch die leiseste Veränderung seines Rhythmus und wartete wie ein Verurteilter auf das erste qualvolle Niesen.
    Im Laufe der nächsten Tage erwachte das Radio hie und da wieder zu sporadischem Leben (ich ließ es ständig eingeschaltet, Tag und Nacht, als säße ich auf einem untergehenden Schiff fest und könnte »Mayday!« in den Empfänger schreien, sobald sich nur irgendwo eine menschliche Stimme meldete). Ich ging vielleicht gerade in der Hütte auf und ab, löffelte mir Zucker in den Tee oder starrte auf die frisch eingespannte und auf ewig weiß bleibende Seite in meiner uralten mechanischen Schreibmaschine, als plötzlich das Rauschen im Radio schwand und ein hektischer Nachrichtensprecher mich aus der Leere des Äthers mit seltsamen und entsetzlichen Details versorgte: Vor Cape Hatteras war ein Ozeandampfer auf Grund gelaufen, doch an Bord hatte man nichts gefunden als drei putzmuntere Katzen mit seidigem Fell und diverse Fleischpfützen rund um karierte Shorts, Polohemden und Sonnenbrillen; aus Südflorida waren seit über sechsunddreißig Stunden weder Nachrichten noch Signale gekommen; eine Gruppe von Überlebenskämpfern hatte den Privatjet von Bill Gates gekapert und versucht, damit in die Antarktis zu entfliehen, wohin sich die Infektion möglicherweise noch nicht ausgebreitet hatte, aber noch ehe die Maschine abheben konnte, erbrachen die Entführer alle schwarze Galle und starben. Ein anderer Sprecher brach mitten in einer unbestätigten Meldung zusammen, derzufolge in Minneapolis sämtliche Männer, Frauen und Kinder umgekommen waren, und wieder ein anderer meldete sich eines frühen Morgens mit dem Schrei: »Es tötet! Es tötet! Es tötet einen in drei Tagen!« An diesem Punkt riß ich den Stecker aus der Wand.
    Mein erster Impuls war es natürlich zu helfen. Ich wollte sie alle retten: Danielle, die Schwachen und Gebrechlichen, die Jungen und die Alten, die Leiterin der Sozialkundeabteilung in der Schule, an der ich Lehrer bin (oder war), und die neue Tutorin mit den roten Stoppelhaaren, die mir mehrere ausgesprochen detaillierte sexuelle Phantasien beschert hatte. Ich ging sogar soweit, zu Fuß bis zur Straße zu gehen und nach Fish Fry Flats hinüberzufahren, aber die Kneipe/Restaurant/ Souvenirladen/Kleinsupermarkt/Tankstelle war geschlossen und verriegelt, der Parkplatz verlassen. Ich fuhr dreimal auf dem Platz herum und überlegte, ob ich umkehren oder auf der Straße noch ein Stück weiterfahren sollte, da huschte eine hagere unscheinbare Gestalt aus einem Schuppen am Rande des Parkplatzes und hechtete sich in das Dunkel unter der Holzplattform des Hauptgebäudes. Ich erkannte die Gestalt sofort als den klumpfüßigen und ponyschwänzigen Eigentümer des

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