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Schluß mit cool (German Edition)

Schluß mit cool (German Edition)

Titel: Schluß mit cool (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C Boyle
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beschrieb Baldassare mit seiner Ladung Aushub einen Bogen, so daß Siagris und die Kinder rasch zurücktreten mußten, und wurde nicht einmal langsamer. Er marschierte einfach weiter zu einer Stelle am oberen Rand des Rahmens, wo er die Erde auskippte und glattharkte. »Graben«, sagte er über die Schulter.
    »Aber das geht nicht. Das hier ist Privatbesitz. Man darf nicht einfach anderen Leuten ihre Grundstücke aufbuddeln, weißt du das nicht? Hä? Weißt du denn überhaupt nichts?«
    Baldassare wollte keine Konfrontation. Er war ein anständiger Mensch, gutmütig und friedlich gesinnt, aber er war auch fest entschlossen. Als er mit der leeren Karre wieder vorbeiging und sie die Rampe hinablenkte, sagte er: »Sagen Sie ihr, sie soll hinschauen. Um sie geht es. Für sie tue ich das hier.«
    Danach war er taub für alles Flehen, Drohen und Protestieren und fuhr geduldig fort, zu graben, die Wände zu glätten und seine Erde zu verteilen. Die Sonne stieg den Himmel empor. Nur gelegentlich hielt er inne, um einen Schluck Wasser zu trinken oder sich auf die umgedrehte Schubkarre zu setzen und schweigend ein Sandwich aus dem in Wachspapier eingewickelten Vorrat zu essen. Er arbeitete den gesamten Tag hindurch unermüdlich, und obwohl der Sheriff auftauchte und ihm Strafe androhte, konnte auch dieser nicht mit Sicherheit sagen, wem das Grundstück eigentlich gehörte, das Baldassare da verunzierte – das heißt, er konnte es nicht, ehe er nicht bei Gericht im Grundbuch nachgesehen hatte, was er auch gleich am kommenden Vormittag tun werde, da könne Baldassare Gift drauf nehmen. Baldassare gab ihm keine Antwort. Er grub einfach nur weiter.
    Es wurde langsam dunkel. Baldassare hatte den Ausschnitt seines Valentinsherzens vollständig auf einen Meter Tiefe ausgehoben, doch er dachte noch lange nicht ans Aufhören. Zwei Meter, dachte er, so tief mußte es schon sein, und wer mochte es ihm verübeln, daß er immer wieder zu dem leer bleibenden Fenster in der Wohnung oberhalb des Drugstore aufsah, in der Hoffnung, einen Blick auf seine inamorata zu erhaschen? Falls sie zusah, falls sie wußte, was er da aus Liebe zu ihr tat, falls sie beobachtete, wie er die starken Armmuskeln anspannte und den Rücken krümmte, so ließ sie es ihn nicht merken. Unbeirrt grub Baldassare weiter.
    Und dann nahte der Moment, es mußte nach Mitternacht sein, das ganze Viertel war still wie ein Grab, nur Baldassare arbeitete noch im Licht des zunehmenden Mondes, als zwei Männer am Nordrand der Grube erschienen, genau dort, wo die zwei Herzbögen mit harmonischem Schwung aufeinandertrafen. »Hey, Spaghetti«, rief einer von ihnen zu Baldassare hinunter, der von seiner Schaufel aufsah, »ich kenn dich nicht, aber du bringst meine Verlobte in Peinlichkeiten, und das werde ich jetzt abstellen.«
    Der Schatten dieses Mannes im kalten Mondlicht war riesenhaft – es hätte der Schatten eines Bären oder eines Büffels sein können. Der andere Schatten war schmaler, aber breit in den Schultern, wo es zählte, und er tanzte auf ebenso schattenhaften Füßen. Man hörte keinen Laut außer dem Kratzen von Baldassares Schaufel beim Einfahren in die Erde und bei dem leisen Klatschen, wenn eine weitere Ladung in der Schubkarre landete.
    Baldassare war von kleiner Statur, aber durch die Hunderte Tonnen Erde, die er in seinem Leben geschaufelt hatte, waren seine Gliedmaßen zu Eisen geworden, und als die beiden auf ihn losgingen, da kämpfte er wie ein doppelt so großer Gegner. Trotzdem sah es um seine Chancen schlecht aus, und Hiram Broadbent konnte ihn, befeuert von einer Flasche guten Kentucky-Bourbons und mit der tatkräftigen Unterstützung von Calvin Tompkins, Hufschmied und Amateurboxer, doch zu Boden schlagen. Und als er dort erst einmal lag, traten Broadbent und Tompkins mit ihren schweren Stiefeln auf ihn ein, bis er sich nicht mehr rührte.
    Als Baldassare aus dem Krankenhaus entlassen wurde, war er ein anderer Mensch – jedenfalls insofern, als das Bild von Ariadne Siagris nicht mehr seinen Verstand verseuchte. Er kehrte in seine unterirdische Behausung zurück, wo er sich in einen Bugholz-Schaukelstuhl setzte und auf die geschwungenen Wände der Küche starrte, von der aus er im Atrium den gestreiften Stamm des einsamen Avocadobaums sah. Den rechten Arm trug er in einer Schlinge, er war vom Ellenbogen abwärts eingegipst, und unter dem Hemd war er bandagiert wie eine ägyptische Mumie, so viel Verbandsmaterial hatten sie gebraucht, um seine

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