Schluß mit cool (German Edition)
vorgelesen, die scharfkantigen englischen Wörter schnitten wie Scheren in ihn ein, und die Pasta hatte sich in seinem Mund in Watte verwandelt. Er war kurz vor dem Ersticken. Kurz vor dem Erbrechen.
»Ja, sicher«, sagte Luca. »Klar kenn ich den. Großer, fetter Kerl. Trägt sommers wie winters einen Strohhut. Er ist ein Säufer und niederträchtig wie der Teufel, aber seinem Vater gehört eine Hühnerfarm, die sämtliche Märkte hier in Fresno mit Eiern beliefert, deshalb hat er immer Geld in den Taschen. Mann, wenn du je aus deinem Loch hier rauskämst, dann wüßtest du, von wem ich rede.«
»Du glaubst doch nicht – ich meine, Ariadne würde ihn nicht wirklich... oder?«
Luca senkte den Kopf und rührte mit dem Löffel im Teller. »Weißt du, was mein Vater immer gesagt hat? Als ich noch zu Hause in Catania war?«
»Nein, was denn?«
»Gibt jede Menge Fische im Meer.«
Aber das bedeutete Baldassare wenig – er wollte nur einen Fisch. Ariadne. Wofür sonst hatte er gegraben, wenn nicht für sie? Er hatte einen unterirdischen Palast geschaffen, mit butterweichen Kanten und den elegantesten Kurven und geräumigen Innenhöfen, nur damit sie Platz hatte, damit sie allen Raum bekam, den sie nur wollte, nachdem sie in der beengten Wohnung über dem Drugstore von ihres Onkels Gnaden hatte leben müssen. Hatte sie sich nicht dauernd darüber beklagt? Wenn sie nur wüßte, wenn sie ihm nur eine Chance gäbe und nur ein einziges Mal in die Kühle des Erdbodens hinunterstiege, dann, da war er sicher, würde sie ihre Meinung ändern, das mußte sie einfach.
Es gab allerdings ein Problem. Ein schier unüberwindliches Problem. Sie wollte nicht mehr mit ihm reden. Er ging in den Drugstore und hoffte, es alles wiedergutzumachen, sie davon zu überzeugen, daß er der Richtige für sie war, der einzige, doch sie trat von der Theke zurück, wechselte ein kurzes Wort mit dem Onkel und verschwand in der sonnenhellen Öffnung der Hintertür. Siagris wirbelte herum wie ein aufgestörtes Käfigtier, spannte die Schultern an und reckte den Kopf. »Wir wollen dich hier nicht mehr sehen, verstanden?« sagte er. Das Bratfett zischte, es roch nach Zwiebeln und Thunfisch, eine Reihe verschreckter weißer Gesichter starrte von Kaffee und Kuchen auf. Siagris beugte sich über die Theke nach vorn und ließ sein Gesicht so häßlich aussehen, wie er nur konnte. »Capisce?«
Baldassare Forestiere war niemand, der sich leicht entmutigen ließ. Er dachte daran, ihr einen Brief zu schicken, aber er hatte das Schreiben nie gelernt, und der Gedanke, jemand anders dafür zu beschäftigen, erfüllte ihn mit Scham. In den nächsten Tagen sann er über dieses Problem nach, dabei arbeitete er als Tagelöhner und schaufelte, hievte, zerrte und schob, und während sein Körper die vertrauten Bewegungsmuster durchlief, war sein Verstand frei zum Erlangen einer schweißgetränkten Klarheit. Am Ende des dritten Tages hatte er entschieden, was zu tun war.
An jenem Abend schob er im Schutz der Dunkelheit seine Schubkarre die Landstraße entlang in die Stadt bis zu dem unbebauten Gelände hinter dem Drugstore. Dann begann er zu graben. Die ganze Nacht hindurch, während die Sternbilder in den endlosen Weiten über ihm dahintrieben, bis sie langsam eines nach dem anderen vor dem Morgengrauen flohen, setzte Baldassare Schaufel, Spitzhacke und Harke ein. Bei Tagesanbruch waren die Umrisse seiner Botschaft von dem Fenster im ersten Stock über dem Drugstore aus deutlich zu erkennen. Es war ein Herz, ein Valentinsherz, das perfekt proportionierte Symbol seiner Liebe, ein Meter tief aus der Erde ausgehoben, verlief es in elegant geschwungenen Bögen über die gesamte Fläche des Grundstücks, das gut eintausend Quadratmeter groß sein mußte.
Als die Konturen fertig waren, begann Baldassare mit dem Inneren. Vor seinem geistigen Auge sah er auf diesem leeren Platz einen herzförmigen Krater, mindestens zwei Meter tief, mit Wänden so glatt wie Zement, und dieses Loch im Boden würde Ariadne die Größe der Leere zeigen, die sie in ihm hinterlassen hatte. Er stapfte gerade wieder die längst plattgestampfte Rampe hinauf, um die gefüllte Schubkarre an den Rändern des Grundstücks auszuleeren, da sah er im Aufblicken Siagris und zwei seiner Kinder vor dem Loch stehen, die auf ihn hinabstarrten. Siagris stemmte die Hände in die Hüften. Mehr als alles andere wirkte er ungläubig. »Was in Himmels Namen tust du da bloß?« brachte er hervor.
Oben angekommen,
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