Schlussakt
entgegnete er. »Hauen Sie einfach ab.«
»Sehr gerne. Aber erst, wenn Sie mit meinem Freund Marc Covet
durch sind. Machen Sie nicht zu lange, wir wollen alle ins Bett.«
Ich ging in den Überaum zurück. Hinter mir fletschte der
Beamte die Zähne.
Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012
2
Ohne den Anruf am nächsten Morgen wäre es wohl
bei dieser Stippvisite im Reich der Musik geblieben. Gegen zwei Uhr nachts
verabschiedete ich mich von Marc und bestieg mein Rad. Den Schal fest um den
Hals geschlungen, fuhr ich durch die Hauptstraße, ebenso müde wie entschlossen,
mich aus dieser Geschichte herauszuhalten. Auch wenn mich interessierte, wer
Nagels Freundin auf dem Gewissen hatte. Es gab zwei gute Gründe, vorsichtig zu
sein. Da waren auf der einen Seite diese Leute, die so taten, als hätten sie
etwas mit Kunst zu tun. Ein fetter Dirigent, Damen mit Kussmund, verschwitzte
Bühnentechniker. Die konnten mir gestohlen bleiben. Von ihren Gepflogenheiten,
Lebensverhältnissen, Redeweisen hatte ich keine Ahnung; ich misstraute ihnen.
Sie trugen Perücken oder Frack, aber vor einem kleinen Polizeibeamten ließen
sie den Direktor heraushängen. Wenn ich hier ermittelte, würde ich dauernd mit
ihnen zusammenrasseln.
Erschwerend kam hinzu, dass ich nichts von Musik verstehe.
Ich glaube, ich war mein Lebtag ein einziges Mal in der Oper und bin
eingeschlafen. Aber bitte, man lernt ja gerne dazu.
Der zweite und entscheidende Grund für meine Zurückhaltung
trug einen Namen: Marc Covet. Beruf und Privatangelegenheiten zu vermischen,
ist immer riskant. Man stelle sich nur unsere Honorarverhandlungen vor! Schreib
mir eine Rechnung; kann ich mit Karte zahlen? Absurder Gedanke, einem Freund
Geld für einen Helferdienst abzuknöpfen. Und selbst wenn wir auf irgendeine
utopische Weise zu einer Einigung kämen, würde es böses Blut geben. Schließlich
war Covet persönlich in die Sache involviert, da konnte er mir erzählen, was er
wollte. Es war sein Kumpel, der verdächtigt wurde, der vielleicht einen
Totschlag im Affekt begangen hatte, der ihn möglicherweise belog – und damit
war es die Freundschaft zu Bernd Nagel, die auf dem Spiel stand.
Und da sollte ich ermitteln? Mitten in einem
Interessenkonflikt? Sollte meine Nase in Dinge stecken, die Marc am Ende
peinlich waren, sollte den Geschäftsführer durchleuchten und abklopfen, bis
sich herausstellte, dass er bloß ein larmoyanter Schönling war, der an seine
Karriere dachte? Vielleicht war er das ausschließlich in meinen Augen, in den
Augen eines neidischen Privatflics, der lieber vor der Glotze ein Bier köpfte,
als bei einer Premierenvorstellung durch das Heidelberger Stadttheater zu
flanieren. Mag sein; aber gerade dann sollte ich die Finger von dem Fall lassen.
Bevor ich mit Marc aneinandergeriet, weil ich Erkenntnisse lieferte, die ihm
nicht gefielen.
Und so stand mein Entschluss bereits fest, als ich durch die
menschenleere Hauptstraße fuhr und die eiskalte Luft mir Tränen aus den Augen
trieb: Den Mord an Annette Nierzwa würden der Rottweiler und seine Kollegen
aufklären. Ohne meine Mithilfe. Diese Kröte würde Covet schlucken müssen.
Aber dann kam der Anruf.
Streng genommen waren es sogar zwei. Zunächst jaulte mein
Handy. Ich ließ es jaulen und vergrub mich tief in den Kissen. Wer am
Sonntagmorgen um acht Wünsche hatte, sollte sie meiner Mailbox diktieren. Eine
Minute lang herrschte Stille, dann klingelte mein Telefon. Da meinte es jemand
aber ernst! Nach viermaligem Klingeln übernahm der Anrufbeantworter die Regie,
ich richtete mich langsam im Bett auf und lauschte.
Es war die Stimme einer Frau. Keine junge Stimme, auch gefiel
mir ihr Tonfall nicht, aber was sie sagte, ließ mich aufhorchen. Sehr geehrter
Herr Koller … muss Sie in einer dringenden Angelegenheit … der gestrige
Todesfall im Theater … ob Sie wohl die Freundlichkeit besäßen, sich umgehend
zurückzumelden?
Nun, der sehr geehrte Herr Koller besaß sogar die
Freundlichkeit, sich umgehend aus den Federn zu schälen und nach dem Hörer zu
greifen, bevor die Dame aufgelegt hatte. Die Nachricht vom Mord an Annette
Nierzwa schien schnell die Runde gemacht zu haben.
»Guten Morgen«, brummte ich. »Wer spricht?«
»Herr Koller persönlich?«
»Um diese Uhrzeit bin ich der Einzige im Büro.«
»Oh, tut mir leid, Sie so früh stören zu müssen«, sagte die
Frau mit der Andeutung eines Kicherns,
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