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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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hinüber. Ein schmaler Brustkorb, blasse
Hautfarbe, das Kinn glattrasiert.
    Er setzte sich aufrecht. Seine Hände kamen auf den
Oberschenkeln zu liegen. Covet starrte vor sich hin und wartete.
    »Er kam gegen fünf«, sagte der Geschäftsführer. »Oder später,
es war gerade dunkel geworden. Ich merkte gleich, dass mit ihm was nicht
stimmte. Er war so unruhig, stand nie still. Die Augen blutunterlaufen. Und
dann wollte er Geld. Er sagte, jemand hätte mich während der Vorstellung mit
Annette in meinem Zimmer gesehen.«
    »Je mand?«, fragte ich.
»Nicht er selbst?«
    »Nein, ein anderer. Und
für dessen Schweigen sollte ich zahlen. Ich sagte, ich besäße kein Geld,
meinetwegen könne der Mensch zur Polizei gehen. Da schrie er mich an, ich hätte
sehr wohl Geld, in meinem Safe nämlich, und es befände sich auch noch
unrechtmäßig in meinem Besitz. Das zog mir den Boden unter den Füßen weg.« Er
schwieg und wischte sich kurz über die Augen.
    »Und dann?«
    »Dann lag Woll plötzlich zu meinen Füßen, und ich hielt einen
Kerzenständer in der Hand.«
    Ich wechselte einen Blick mit Marc. Hätte Bernd Nagel nicht
diesen gusseisernen Kerzenständer in seiner Diele stehen gehabt, wäre einiges
in dieser Geschichte anders gelaufen.
    »Die Erwähnung der Guarneri«, fuhr der Geschäftsführer fort,
»muss in mir einen Kurzschluss ausgelöst haben. Ich schlage keine Menschen,
nie. Bei Woll hat es mich nicht gereut, im Gegenteil. Ich habe ihn sogar
angeschrien, als er ohnmächtig dalag, dieses Vieh.« Er sah auf. »Ich weiß, das
sollte man nicht sagen, aber genau so empfand ich es.«
    »War Ihnen nicht bewusst, dass er der Mörder Ihrer Freundin
sein musste?«
    »Nein. Er sprach ja von einem anderen. Oder vielleicht doch,
in meinem tiefsten Inneren. Es spielt keine Rolle, ich hasste ihn in diesem
Moment für all das, was er Annette jemals angetan hatte, und für das Schwein,
das er war. Dass er von der Guarneri wusste, machte mich rasend. Ich war zu
allem bereit, nur um die Geige zu verteidigen. Ich fesselte ihn, trug ihn in
den Kofferraum meines Wagens und fuhr ihn hoch in den Wald. Die Schranke am
Wolfsbrunnen steht schon seit Wochen offen.«
    »Warum in den Wald?«
    Achselzucken. »Er sollte weg. Einfach weg. Vielleicht wurde
er gefunden, vielleicht nicht. Mir war es egal.«
    »Warum hast du ihn nicht im Keller eingesperrt?«, fragte
Covet mit verzweifelter Miene.
    »Bei mir im Haus?«, entgegnete Nagel entsetzt. »Bist du
wahnsinnig? Nein, dort oben war der einzig richtige Ort für ihn. Am nächsten
Morgen wollte ich dann weitersehen.«
    »Und Sie haben ihn ganz alleine auf den Hochsitz gehievt?«,
fragte ich.
    »Ich hätte zehn Wolls dort hochgehievt, nur um sie
loszuwerden.«
    »Kaum waren Sie z urück,
stand die Polizei vor der Tür.«
    Er nickte. »Nun war ich
auch noch verhaftet. Hauptverdächtiger anstelle eines Arschlochs, das mich
beobachtet und dann Annette erwürgt hatte. Irgendwann ging mir auf, dass es
Woll selbst gewesen sein könnte. Aber da war mir längst alles egal.«
    »Verdammt, du warst
unschuldig , Bernd«, flüsterte Covet. »Woll lebte noch, und du warst
unschuldig. Warum hast du keinem …?«
    »Ich unschuldig?«, rief
Nagel und brach in ein bitteres Lachen aus. »Ich unschuldig? Ja, ich wusste
das, aber wie sollte ich das beweisen? Wer von euch hätte mir geglaubt? Du
vielleicht? Max, Cordula, die Polizei? Hast du die Zeitungen nicht gelesen? Schon
vergessen, worin der Auftrag der alten Wonnegut bestand? Und weißt du, was? Ich
kann es niemandem verdenken. Ihr hattet recht, meine Unschuld anzuzweifeln.
Offiziell Saubermann, aber hintenrum trifft er sich während einer Premiere mit
seiner Ex. Männergeschichten, Frauengeschichten, wild durcheinander. So einem
ist alles zuzutrauen. Warum nicht auch Mord? Totschlag im Affekt, Sexspielchen
mit tödlichem Ausgang? Alles denkbar, und wenn er es am Ende doch nicht war,
irgendwas bleibt immer hängen. So habe ich mich gefühlt, als ich in Haft saß,
und da kommt Cordula mit ihren großartigen Strategien, will mich raushauen,
reinwaschen, rehabilitieren. Da gab es nichts zu rehabilitieren! Gar nichts.«
    Er war aufgesprungen und
lief im Zimmer umher. Seine Lider flatterte n, während er sprach. Als er
geendet hatte, zückte er ein Taschentuch, um sich die Nase zu putzen. Covet und
ich schwiegen.
    »Ihr hättet mich im Gefängnis lassen sollen«, sagte Nagel
leise und steckte das Taschentuch ein.

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