Schlussakt
füllte sich.
»Ich bin Sammler«, sagte ich.
»Sammler?«
»Exakt.«
»Sammler ist kein Beruf. Sammler von was?«
»Leichen. Ich sammle Verbrechensopfer, genau wie Sie.
Allerdings nicht im Staatsdienst, sondern als freier Unternehmer.«
Der Typ verzog keine Miene. Wahrscheinlich hatte er heute
Abend die unmöglichsten Berufe kennen gelernt: Chorsänger, Ersatzchorsänger,
Premierengrafen, Generalmusikdirektoren, Inspizienten. Und wo es Leichen gab,
konnte es auch Leichensammler geben. Vielleicht sogar freiberufliche.
»Ich bin Privatdetektiv«, erlöste ich ihn schließlich. »Schon
mal gehört?«
Da fielen die Groschen.
Wie im Spielautomaten. Der Rottweiler fing an zu grinsen, breit und immer
breiter, setzte die Brille ab, setzte sie wieder auf und musterte mich von oben
bis unten. Sollte er nur mustern! So einen wie mich bekam er auf keiner Bühne
zu sehen.
»Chris«, rief er hohnlachend durch den Flur, »schau dir das
an! Du glaubst nicht, wen ich da aufgegabelt habe.«
Der Angesprochene unterbrach die Befragung und sah zu uns
herüber. Er war kleiner, gedrungener als sein Kollege, hatte ein flaches Gesicht
mit winziger Nase, kurzgeschorenes weißblondes Haar und kleine, gerötete Augen.
Ich kann mir nicht helfen, er erinnerte mich an einen Kampfhund, der mich bei
einer meiner Radtouren mal gejagt hatte.
»Er sagt, er ist Privatdetektiv«, brüllte der Dunkelhaarige
so laut, dass die Zeugen aus den Zimmern lugten. »Privatdetektiv, ich lach mich
schlapp!«
Chris lachte nicht, er knurrte nur: »Schmeiß ihn raus.« Dann
wandte er sich wieder dem Perückengrafen zu.
»Privatdetektiv«, wiederholte der Rottweiler, als könne er
sich an diesem schönen Wort gar nicht satt hören. »Wusste gar nicht, dass
Heidelberg einen hat. Geschweige denn braucht.«
»Dem Tourismus tut es gut, heißt es.«
»Und?«
»Was und?«
»Was wollen Sie hier? Rumschnüffeln?«
»Gott bewahre«, rief ich und hob abwehrend alle Hände, die
mir zur Verfügung standen. »Da liegt ein Missverständnis vor. Ich bin ganz
privat hier. Als Privatmann, nicht als Privatdetektiv. Figaros Hochzeit ist meine Lieblingsoper.«
Und dann begann ich zu erklären, so wortreich, dass er mit
dem Schreiben kaum hinterherkam. Herr Covet sei ein alter Freund von mir und
Herr Nagel ein alter Freund von Herrn Covet, wir wollten nach der Aufführung
gemeinsam einen trinken, weshalb wir uns vor Herrn Nagels Zimmer eingefunden
hätten, hier aber sei es zu der schrecklichen Entdeckung gekommen, die uns
natürlich den Durst komplett verhagelt habe, und dann sei Annette auch noch die
Freundin Herrn Nagels beziehungsweise die Ex-Freundin, manches geht eben
auseinander, furchtbar sei es trotzdem, nicht einmal ich als Privatermittler
hätte mich an den Anblick von toten Menschen gewöhnt, schon gar nicht nach so
vielen Stunden herrlicher Musik.
»Der Graf hatte allerdings keinen guten Tag«, raunte ich ihm
zu. »Keine Höhe, kein gar nix. Aber sagen Sie es ihm nicht.«
Schweigend klopfte der Rottweiler auf seinem Notizblock
herum. Er nahm seine Brille ab, klappte sie zusammen und steckte sie in die
Brusttasche zurück. Privatdetektiv und Opernbesucher gleichzeitig, das
überstieg seine Toleranzschwelle.
»In diesem Aufzug waren Sie in der Premiere?«, fragte er
schließlich.
Ich trug, was ich immer trage. Jeans, Hemd und Pulli, darüber
meine dicke Winterjacke und einen rostroten Schal.
»Kunst kommt von innen«, lächelte ich.
»Sauber«, sagte er nur. »Sauber.« Dann klemmte er seinen
Kugelschreiber hinters Ohr, um eine seiner großen Händefür mich frei zu
haben. Die legte er mir auf die Schulter. So wie vorhin dem Tragiker aus
Waldwimmersbach, nur hatte er da vermutlich weniger fest zugedrückt.
»Nun sage ich Ihnen mal was«, fing er an, freundlich wie eine
Vogelspinne. »Ich sage Ihnen was, Herr Koller. Ob Sie nur zufällig hier sind
oder herumschnüffeln wollen, ist mir egal. Das gilt auch für meine Kollegen.
Scheißegal ist uns das. Und wissen Sie, warum? Weil Typen wie Sie uns scheißegal
sind. Wir machen einfach unsere Arbeit. Tun Sie, was Sie nicht lassen können,
aber passen Sie gut auf. Wenn Sie uns in die Quere kommen, bekommen Sie Ärger.
Ärger, der sich gewaschen hat. Ist das klar?«
Das war eine lange Rede für einen Mann seiner bescheidenen
Eloquenz, und ich honorierte sie mit andächtigem Lauschen.
»Sie sollten öfter in die Oper gehen«, sagte ich.
»Hauen Sie ab«,
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