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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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gehfaule,
intrigante Persönchen zuwider war. Grundsätzlich bedeutete es eine
Erleichterung für mich, in ihrem Auftrag ermitteln zu können und nicht in
Marcs. Schließlich schlägt man einem Freund ungern eine Bitte ab. Außerdem
gefiel mir der Gedanke, dass sie für meine Arbeit zahlen würde.
    Ich war mit Covet um zehn verabredet. Er wohnt in der
Kettengasse, Schlafzimmer zum Hof, sonst wäre es dort im Sommer nicht
auszuhalten. Marc ist der Letzte, der etwas gegen Trinker und Nachtschwärmer
vor seinem Fenster hätte, bloß auf gepflegte Umgangsformen legt er Wert. Und
nach Umgangsformen braucht man bei den alkoholisierten Massen, die allnächtlich
durch Heidelbergs Altstadtgassen torkeln, nicht zu fragen.
    Zweiter Stock, hohe Räume, hie und da Stuck an der Decke.
Marc empfing mich im blau-silbernen Pyjama, deodoriert und gekämmt wie ein
junges Mädchen. Nur seine verquollenen Augen ließen auf eine unruhige Nacht
schließen. Vermutlich trug er deshalb seine runde Schubert-Brille statt der
sonst üblichen Kontaktlinsen.
    »Morgen«, sagte ich. »Schon wach?«
    »Hellwach. Und du? Hast du gefrühstückt?«
    »Mehr als genug.«
    Er schlurfte voraus Richtung Wohnzimmer. »Wir haben uns auch
etwas Kräftiges kommen lassen. Wenn du magst, kannst du dir von dem pochierten
Lachs nehmen.«
    »Wir?«
    »Cordula und ich.« Wir passierten eben das Badezimmer, dessen
Tür offen stand. Vor dem Spiegel zog sich eine junge Frau die Lippen nach.
    »Guten Morgen«, sagte sie, ohne den Blick von ihrem
Spiegelbild zu wenden.
    »Guten Morgen«, murmelte ich und blieb stehen. Gerne hätte
ich etwas Gescheiteres erwidert, aber mir fiel nichts ein. Die Frau hatte ihre
halblangen, dunkelblonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, sie
trug schwarze Wildlederhosen und ein weißes, ärmelloses Top. Die Lampe über dem
Badezimmerspiegel ließ ihr Gesicht leuchten. Sie hatte markante dunkle
Augenbrauen und eine schöne gerade Nase, deren Spitze sich im Rhythmus ihres
Schminkrituals bewegte. Eine sagenhaft gut aussehende Frau, die mich nicht
eines Blickes würdigte.
    »Wir haben zusammen gefrühstückt«, sagte Covet fast
entschuldigend.
    Ich sah ihn an, wie er da stand, in seinem albernen Pyjama,
während sich die Unbekannte in seinem Bad herrichtete. Marc hatte nie viel
Aufhebens um seine Affären gemacht, und ich hatte mich nie sonderlich für sie
interessiert, weil die wenigsten von Dauer waren. Natürlich brauchte er mir
auch jetzt nicht zu erzählen, was es mit dieser Cordula auf sich hatte, bloß
vorwarnen hätte er mich können: dass seine neueste Eroberung gerade vor dem
Spiegel herumturnte und dass sie ein bauchfreies Top trug, obwohl wir Winter
hatten.
    Endlich steckte die Frau ihren Lippenstift ein und wandte
sich mir zu. Sie lächelte mich sogar an.
    »Max Koller«, stellte ich mich vor. »Ich bin ein alter Freund
von Marc.«
    »Ich weiß«, entgegnete sie.
    »Vielleicht setzen wir uns noch mal rein«, schlug Covet vor,
»und sprechen gemeinsam über die Sache.«
    »Nein«, sagte Cordula. »Ich muss los. Du hältst mich auf dem
Laufenden, einverstanden?«
    Covet nickte. Während die Frau ein leichtes Jäckchen überzog
und darüber einen Wintermantel, verdrückte ich mich Richtung Wohnzimmer. Um
nicht hineingehen zu müssen, studierte ich die Plakate, die in Marcs Flur
hingen: Ankündigungen von Konzerten, Vernissagen, Lesungen. Für was sich mein
Freund eben so interessiert und ich nicht.
    »Fahr vorsichtig«, hörte ich Marc sagen.
    »Nö«, lachte die Frau.
    »Okay, bis dann.«
    »Bis dann.« Küsschen links, Küsschen rechts. Für einen langen
Moment lag ihre Hand auf Covets Oberarm.
    »Tschüs«, rief ich von hinten.
    Sie schenkte mir ein belustigtes Lächeln und ging.
    Kurz danach saß ich in Marcs Wohnzimmer und sah ihm zu, wie
er seinen und Cordulas Frühstücksteller abräumte. Der Kaffee war noch heiß,
auch von dem Lachs hatten die beiden kaum etwas genommen. Ohne Frau Steins
Vorarbeiten hätte ich mich sofort auf die frischen Brötchen gestürzt.
    »Und?«, fragte er. »Wie sieht es aus? Was hältst du von der
Sache, nachdem du drüber geschlafen hast? Ermittelst du weiter?«
    »Ich denke, ja.«
    »Gott sei Dank.« Er ließ sich erleichtert in einen Sessel
fallen. »Ich habe die ganze Nacht kein Auge zugemacht. Hoffentlich klärt sich
bald, wer die Nierzwa auf dem Gewissen hat.«
    Ich schwieg. Natürlich hatte er die ganze Nacht kein Auge
zugemacht, das

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