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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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wahr?«
    Statt einer Antwort verzog Covet sein Gesicht zu einer
Hab-ich-doch-gleich-gesagt-Miene. Dabei hatte er überhaupt nichts gesagt.
    »Was dachtest du, als du deinen Freund Nagel neben ihr knien
sahst? Ganz ehrlich.«
    »Nichts dachte ich«, fuhr er auf, um sich gleich wieder zu
beruhigen. »Na ja, was werde ich wohl gedacht haben? Ich sagte mir, um Gottes
willen, hoffentlich hat Bernd keinen Mist gebaut.«
    »Er war immerhin eine
Dreiviertelstunde nicht im Zuschauerraum.« Ich drehte mein Glas hin und her.
Erstaunlich, welchen Appetit der Mensch am frühen Morgen entwickeln kann. Bloß
beim Gin musste ich mich zurückhalten, meine Gedanken wurden schon träge. »45
Minuten unterwegs, während drinnen Mozart läuft. Warum kam er eigentlich zu
spät zur Premiere?«
    »Das passiert schon mal. Bernd ist ein wenig Mädchen für
alles, da quatscht er bis zum letzten Moment mit jedem.«
    »Hast du nicht auf ihn gewartet?«
    »Doch, bis zum zweiten Gong. Dann bin ich hoch in den ersten
Rang, setzte mich und hoffte, dass er noch käme. Aber erst, als alle Türen
geschlossen waren und die Musik gerade anfing, schlich er herein.«
    »Und dann setzte er sich auf einen dieser Klappsitze. Wieso
war der noch frei?«
    »Der muss frei bleiben, soviel ich weiß. Für das Personal:
Platzanweiserinnen, Feuerwehrleute oder Sanitäter.«
    »Ideal für Leute, die mal kurz verschwinden wollen.«
    »Spinnst du? Bernd plante doch nicht, mitten in der
Vorstellung rauszugehen! Das hieße ja, dass er …«
    »Wann war das genau?«
    »Was?«
    »Wann verließ Nagel die Vorstellung? Um wie viel Uhr? Bei
welcher Szene?«
    »Keine Ahnung. Man schaut doch nicht auf die Uhr, wenn man in
einer Oper sitzt.«
    »Aber man verfolgt die Handlung. Es gibt Akte, einzelne
Szenen.«
    »Er kam nach der Pause wieder, da bin ich sicher. Der dritte
Akt lief vielleicht zehn Minuten.«
    »Na, siehst du. Und wann ging er?«
    Covet zog die Brille ab und schloss die Augen. Mit zwei
Fingern knetete er seine Nasenwurzel. »Ja«, sagte er schließlich. »Gegen Ende
des zweiten Akts gibt es eine Szene, in der einer aus dem Fenster springt, weil
die Zimmertür verschlossen ist. Und als da an der Tür gerüttelt wurde, fragte
ich mich, wo Bernd wohl hinwollte. Das muss direkt nach seinem Verschwinden
gewesen sein.«
    »Wie lange ist es von dieser Szene bis zur Pause?«
    »Eine Viertelstunde vielleicht. Eher mehr.«
    »Wenn du dazu die Pause von mindestens 20 Minuten und die
ersten zehn Minuten des dritten Akts zählst, kommst du locker auf eine
Dreiviertelstunde. Und die will Bernd Nagel bei schnuckeligen null Grad in
Heidelbergs Gassen verbracht haben.«
    Covet schwieg.
    »Hast du ihn in der Pause nicht gesucht?«, wollte ich wissen.
    »Doch, natürlich. Aber bei diesen Premieren hast du keine
ruhige Minute. Dauernd quatscht dich einer an, man hält Smalltalk, muss diesen
und jenen begrüßen. Und es war brechend voll im Foyer.«
    »Hast du Annette Nierzwa gesehen?«
    »Nein. Auf sie habe ich auch nicht geachtet.«
    »Gut, dann werde ich ihre Kolleginnen von der Garderobe
fragen. Wenn Annette nach der Pause oder wenigstens gegen Ende der Pause noch
lebend gesehen wurde, ist Bernd Nagel aus dem Schneider. Falls nicht, sollte er
sich unbedingt daran erinnern, was er in diesen 45 Minuten getrieben hat. Ich
würde Nagel gerne heute Nachmittag sprechen.
Kannst du das arrangieren?«
    Natürlich konnte er. Er
würde alles Menschenmögliche tun, um meine Ermittlungen zu unterstützen,
schließlich war er mein Auftraggeber. Nein, widersprach ich, genau das war er
nicht, ich ermittelte im Auftrag von Frau von Wonnegut und sonst niemandem. Ihn
missbrauchte ich bloß als Mittel zum Zweck.
    »Sehr schön«, grinste das Mittel zum Zweck. »Noch einen Gin Tonic?«
    Ich lehnte dankend ab. Vom Turm der nahen Jesuitenkirche
hatte es gerade elf Uhr geschlagen.

Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

5
    Anstatt von der Kettengasse aus nach Hause zu
fahren, entschied ich mich für eine spontane sonntägliche Radtour. Nicht nur
Frau Steins Frühstück wollte verarbeitet sein, sondern auch Covets Gin Tonic
und seine Informationen zum Verlauf des gestrigen Abends. Die Gedanken ordnen.
Körper und Geist ins Gleichgewicht bringen. Mit diesen lobenswerten Absichten
machte ich mich auf zum Königstuhl. Am tiefsten Punkt der Klingenteichstraße
nahm ich wie üblich die Zeit, dann gab es kein Halten mehr. Flinker

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