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Schlussakt

Schlussakt

Titel: Schlussakt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcus Imbsweiler
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Sachen drauf.«
    »Ihr Notebook bleibt hier, bis meine Leute mit der Arbeit
fertig sind. Danach bekommen Sie es zurück. Wenn Sie wollen, bringen wir es
Ihnen persönlich vorbei.«
    »Und wann wird das sein?«
    »Morgen früh. Um acht Uhr.«
    Nagel zeterte noch ein wenig und gab schließlich klein bei.
Gemeinsam kehrten wir in den Überaum zurück. Ich musste grinsen über so viel
Naivität. Wenn Nagel wirklich beabsichtigt hatte, die Polizei von seinem
Notebook fernzuhalten, so hatte er exakt das Gegenteil erreicht. Jetzt würde
sie sich erst recht über seine Daten hermachen und sich einen Dreck um
irgendwelche Paragraphen scheren. Er hätte genauso gut ein Schild an dem Gerät
anbringen können: Hier suchen.
    »Haben Sie Zigaretten?«, fragte er mich. Ich verneinte. Nagel
trat auf den Flur und kam kurz darauf mit einer brennenden Kippe im Mund
zurück.
    »Irgendwas von Bedeutung auf Ihrem Notebook?«, fragte ich.
    »Nein«, sagte er kalt.
»Bloß Nacktfotos von mir.«
    Achselzuckend setzte ich mich ans Klavier und klimperte
wieder auf den Tasten herum. Zigarettenrauch füllte den kleinen Raum. Nagel
hustete ein paarmal; er schien kein geübter Raucher zu sein.
    »Wie lange waren Sie mit Annette Nierzwa zusammen?«, fragte
ich ihn.
    Seine Antwort ließ auf sich warten. Er versuchte sich auf die
Zigarette zu konzentrieren, inhalierte, blies Rauch gen Zimmerdecke, bevor er
sich schließlich mir zuwandte.
    »Hören Sie, Herr Koller«, sagte er. »Ich werde jetzt keine
weiteren Fragen beantworten. Unser Gespräch ist zu Ende, ich will nicht mehr.
Punkt, aus. Lassen Sie uns meinetwegen morgen drüber reden, aber jetzt brauche
ich etwas Zeit für mich. Klar?«
    Natürlich war das klar. Klarer ging es nicht. Der Herr wollte
seine Ruhe haben, um mich morgen auf übermorgen zu vertrösten und übermorgen
auf nächstes Jahr. Falls ich dann noch Privatflic war und er noch ein freier
Mann. Vielleicht sollte er besser mit einem Anwalt sprechen anstatt mit mir.
Der würde ihm schon begreiflich machen, in was für einer beschissenen Situation
er sich befand, der schöne Herr Geschäftsführer.
    Ich sah auf die Uhr. Es
war weit nach Mitternacht. Hoffentlich ließen sie uns bald gehen. Wenn ich
schnell nach Hause radelte, würde mir warm werden und ich würde Durst bekommen,
und vielleicht ließ mich ein Bierchen vorm Einschlafen diesen ganzen Opernmist
vergessen. Vorsichtig legte ich Zeige- und Mittelfinger auf eine Klaviertaste
und versuchte sie tonlos hinunterzudrücken. In meinem Rücken schlich Bernd
Nagel zum Fenster, öffnete es und sah hinaus in die Nacht.
    Auf der Bühne verwenden sie Theaterblut, so viel wusste ich.
Ob heute Abend spezielles Premierenblut zum Einsatz gekommen war, wagte ich
nicht zu beurteilen. Überhaupt sah das rote Zeug, das zwischen den Tasten
klebte, echtem Blut sehr ähnlich. Meine Finger hielten das Elfenbein
niedergedrückt. Ein einzelner großer Tropfen hatte sich seinen Weg durch zwei
Tasten hindurch gesucht, hatte beide seitlich gefärbt, um dann in den Tiefen
des Klaviers zu verschwinden. Die obere Hälfte der Blutspur war allerdings
stark verwischt. Und warum gab es auf der Tastatur selbst kein Blut?
    Ich beugte mich vor und untersuchte die Spur. Anschließend
drückte ich die benachbarten Tasten. Nirgendwo Blut, nur in dem einen
Zwischenraum, an dem ich meine kleine Klavierübung veranstaltet hatte. Und
warum nur hier?
    Diese Frage war leicht zu beantworten. Weil das restliche
Blut abgewischt worden war: auf der Tastatur, in den übrigen Zwischenräumen,
auf dem Klavierdeckel und wo es sonst noch hingeflossen oder hingespritzt war.
Bloß diese eine Stelle war übersehen worden.
    »Was machen Sie denn da?«, fragte Nagel hinter mir. Seine
Zigarette hatte er aus dem Fenster geschnipst.
    Ich hob theatralisch beide Hände und ließ sie mit Schwung auf
die Tastatur niedersausen. Es gab einen schön hässlichen Akkord.
    »Ach, wissen Sie«, seufzte ich, stand auf und tätschelte ihm
gönnerhaft die Schulter. »Lassen Sie uns morgen drüber reden. Ich brauche erst
ein wenig Zeit für mich. Das verstehen Sie doch, oder?«
    »Arschloch«, zischte er und stieß meine Hand beiseite.

Dieses E-Book wurde von der "Verlagsgruppe Weltbild GmbH" generiert. ©2012

4
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