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Schlussblende

Schlussblende

Titel: Schlussblende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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Vance.
    Vance mußte eine vielversprechende sportliche Karriere aufgeben, nachdem er bei einem Unfall den rechten Unterarm verloren hatte. Interessant ist in diesem Zusammenhang, daß der Mord an Barbara Fenwick knapp vierzehn Wochen nach diesem Unfall begangen wurde. Nach dem Unfall lag Vance im Krankenhaus, wo er nach dem Ausheilen seiner Verletzungen physiotherapeutisch behandelt wurde. Den Krankenhausaufenthalt hat Jillie Woodrow dazu genutzt, die von ihr als zunehmend belastend und unerwünscht empfundene Beziehung zu Vance zu lösen (siehe Anlage 2, Protokoll der Unterredung zwischen J. W. und DC Simon McNeill). Das Zusammentreffen dieser beiden Streßfaktoren kann bei jemandem, der seine soziopathischen Neigungen schon früher durch ein von Gewalt geprägtes Sexualverhalten ausgelebt hat, durchaus das auslösende Moment zu einem Sexualmord sein.
    Er hat praktisch nie ein normales Sexualleben geführt. Seine Prominentenehe ist eine Scharade. Seine Frau ist Lesbierin, ihre angebliche persönliche Assistentin ist in Wirklichkeit ihre Geliebte – und war es bereits vor der Eheschließung mit Vance. Vance und seine Frau haben nie sexuellen Verkehr gehabt, und sie vermutet, daß er sich seine sexuelle Befriedigung bei hochklassigen Callgirls holt. Es gibt keinerlei Anzeichen dafür, daß seine Frau etwas von seinen verbrecherischen Aktivitäten ahnt.
    Seine Persönlichkeitsstruktur weist bemerkenswert viele Züge auf, wie sie häufig bei Psychopathen beobachtet werden. Zeugenaussagen belegen, daß das Verhältnis zwischen Vance und seiner Mutter, die ihm von Geburt an kraß ablehnend gegenüberstand, sehr schwierig war. Die häufige Abwesenheit des Vaters, bei dem er geradezu verzweifelt Anerkennung suchte, schikanöses Verhalten gegenüber jüngeren Kindern, Grausamkeiten gegenüber Tieren und sein späteres sadistisch-dominierendes Sexualverhalten sind ebenfalls typische Kriterien. In diesem Licht stellen sich seine sportlichen Leistungen als überzogener Kompensationsversuch für all das dar, was er als Defizite in anderen Lebensbereichen empfunden hat. Der Verlust dieser Kompensationsmöglichkeit hat seiner Selbstachtung einen schweren Schlag versetzt.
    Unter diesen Umständen kann es nicht überraschen, daß Vance sich an Frauen rächen wollte. Er fühlte sich durch seine Mutter und später durch seine Verlobte in seiner – von ihm so verstandenen – Männerehre verletzt. Aber er ist viel zu intelligent, um Rache an jemandem zu üben, bei dem der Verdacht sofort auf ihn gefallen wäre. Folglich mußte er Mädchen suchen, die alle eine große Ähnlichkeit mit Jillie Woodrow im Teenageralter hatten.
    In diesem Zusammenhang muß daran erinnert werden, daß überführte Serienmörder in der Regel einen hohen, in einigen Fällen sogar überdurchschnittlichen Intelligenzgrad hatten. Es kann daher nicht überraschen, daß es Serientäter gibt, die über viele Jahre hinweg nicht gefaßt, ja sogar nicht einmal verdächtigt werden. Bei Jacko Vance paßt meiner Meinung nach alles zu dem typischen Bild eines Serientäters.
    Tony lehnte sich zurück. Das mußte genügen, für eine ausführlichere Analyse fehlte ihm die Zeit. Aber zusammen mit den Fotobeweisen, die Carol und Kay hoffentlich mitbrachten, gab es genug Belastungsmaterial, um West Yorkshire endlich dazu zu bewegen, Ermittlungen gegen Vance einzuleiten.
     
    Blödsinn hatte nach Detective Sergeant Tommy Taylors Erfahrung einen unverkennbaren Eigengeruch, und die Idee, einen freiwilligen Feuerwehrmann zu observieren, war der größte Blödsinn, den er seit langem erlebt hatte. Eine Nacht hatte er sich schon um die Ohren geschlagen. Im Klartext: Er hatte die ganze Nacht Raymond Watsons Haus angestarrt. Und an dem gab’s wirklich keine lohnenden architektonischen Reize zu bewundern: ein gewöhnliches Reihenhaus, in dessen handtuchgroßen Garten ein vom Nordostwind gebeutelter Rosenstrauch vor sich hin kümmerte, blätternder Außenanstrich und eine von Kerben und Schrunden übersäte Haustür.
    Gestern nacht war Watson um elf heimgekommen, nach dem letzten Hunderennen. Heute war offenbar nichts los, und er war, wie der Kollege von der uniformierten Polizei meldete, bereits um sieben zu Hause gewesen. Seither hatte sich absolut nichts mehr getan. Es sei denn, man wollte es als besonderes Vorkommnis bewerten, daß Watson die Milchflaschen vor die Tür gestellt hatte. Zehn Minuten danach war dann das Licht gelöscht worden – Schluß der Vorstellung,

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