Schlussblende
hatten sich ausgequatscht, Schmusemusik. Und als Gloria Gaynor gerade in ihrem Schlager die Allerweltsweisheit enthüllte, daß es sich, solange man verliebt sei, zu leben lohne, nahm Di hinter den auf georgianisch getrimmten Riffelglasscheiben der Haustür von Brinkley schwachen Lichtschein wahr. Sie schreckte hoch und starrte, beide Hände ums Lenkrad geklammert, nach drüben. War’s das? Oder machte sich da nur ein Hausbewohner, der nicht schlafen konnte, einen Becher Tee?
So plötzlich, wie er aufgetaucht war, verschwand der Lichtschimmer. Di rutschte mit einem erleichterten Seufzer tiefer in den Sitz. Aber da fiel unter dem Garagentor ein schmaler, heller Lichtstreifen auf die Straße. Alarmiert schaltete sie das Radio aus und kurbelte das Wagenfenster herunter. Die kalte Nachtluft schärfte ihre Sinne. Ja, es ging los. Das unverkennbare Geräusch eines Automotors.
Das Garagentor rollte sich klappernd hoch, ein Auto fuhr auf die Straße. Brinkleys Wagen, kein Zweifel. Das heißt, genaugenommen der Wagen, für den Brinkley gerade mal drei Raten abgezahlt hatte, so daß es nicht mehr lange dauern konnte, bis sich der Autohändler das gute Stück zurückholte. Brinkley stieg aus dem Wagen und ging zur Garage, vermutlich, um das Garagentor per Knopfdruck zu schließen.
»O Mann«, murmelte Di Earnshaw, drehte das Wagenfenster hoch und drückte den Aufnahmeknopf des Mikrorecorders. »Ein Uhr siebenundzwanzig – Alan Brinkley verläßt mit dem Wagen das Haus.« Sie legte den Recorder auf den Beifahrersitz und griff nach dem tragbaren Funkgerät, das für die Kontaktaufnahme mit Tommy Taylor bestimmt war. »Tango Charlie ruft Tango Alpha. Können Sie mich hören?« Um ein Haar hätte sie beim Anlassen des Motors aus Gewohnheit die Scheinwerfer eingeschaltet. Brinkley fuhr los, am Ende der Sackgasse setzte er den Blinker nach rechts. Sie nahm den Fuß von der Kupplung und ließ den Wagen langsam anrollen, immer noch ohne Licht. Auf der Wohnstraße, die sich an den Mietshäusern entlangschlängelte, hatte sie ihn eingeholt.
Sie klickte mit der rechten Hand das Funkgerät ein, um noch einmal zu versuchen, Sergeant Taylor zu erreichen. »Tango Charlie ruft Tango Alpha. Objekt fährt Richtung Stadtzentrum. Tango Alpha, hören Sie mich? Kommen.« Auf der Hauptstraße bog Brinkley links ab. Di zählte im Sekundentakt bis fünf, dann schaltete sie die Scheinwerfer ein und folgte ihm. Er fuhr knapp über dem Geschwindigkeitslimit, nicht zu langsam, weil das nach einem übervorsichtigen, angetrunkenen Fahrer aussehen konnte, und nicht so schnell, daß er womöglich auffiel. »Tango Alpha – hier ist Tango Charlie. Kommen.« Im stillen verfluchte sie ihren unzuverlässigen Sergeant. Sie brauchte Rückendeckung, aber Tommy war einfach nicht zu erreichen. Sie spielte kurz mit dem Gedanken, die Zentrale zu rufen, aber die hätten nur einen Streifenwagen geschickt, der mit Blaulicht und heulender Sirene jeden potentiellen Brandstifter verscheucht hätte.
»O Scheiße«, stöhnte sie, als Brinkley von der Hauptstraße in die schwach ausgeleuchteten Straßen des Industriegebiets abbog. Alles sah nach dem Augenblick aus, auf den sie nun schon so lange warteten. Di schaltete die Scheinwerfer aus und folgte Brinkley vorsichtig in größerem Abstand. Als die hohen Fabrikgebäude wie Mauern links und rechts neben ihr aufragten, beschloß sie, doch einen Streifenwagen anzufordern. Sie drehte die Lautstärke des fest im Wagen installierten Funkgeräts voll auf und griff nach dem Mikro. »Delta drei ruft Zentrale. Kommen.«
Statisches Knacken – dann nichts mehr. Das Herz sank ihr in die Kniekehlen, als ihr klar wurde, daß sie sich offensichtlich in einem der wenigen Funkschatten des Stadtzentrums befand. Ihre Chancen, von hier aus Verstärkung anzufordern, waren gleich null. Sie war völlig auf sich gestellt.
D onna Doyle fühlte keinen Schmerz mehr. Sie schwamm im warmen Nebel des Deliriums, Erinnerungen zogen – wie durch ein Vergrößerungsglas betrachtet – an ihr vorbei. Ihr Dad lebte noch, er warf sie im Park hoch in die Luft, dahin, wo die Bäume ihr mit ihren Zweigen zuwinkten. Die Zweige verwandelten sich in Arme, und da war Donna auf einmal auf einer Geburtstagsparty und spielte mit ihren Freundinnen lustige Spiele. Alles war viel größer als in Wirklichkeit, denn sie war erst sechs Jahre alt, und wenn man klein ist, kommt einem alles größer vor. Die Farben flossen ineinander, es war Kirmes, alle hatten sich
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