Schmeckt's noch?
Stand. Den Tieren und dem Boden müssen wir zurückgeben, was wir ihnen für unseren Unterhalt entnehmen. Die Tiere und der Boden sind unsere Grundlage.“
Je mehr ich mich mit dem Thema Lebensmittel und Landwirtschaft auseinander setze, umso klarer wird mir, dass der Verlust des Wissens, was Qualität ist, der Verlust des Qualitätsbegriffs zur Orientierungslosigkeit bei den Bauern und zur Destabilisierung des Vertrauens der Konsumenten in die Lebensmittel führt und leider längst geführt hat. So frage ich Maria und Hubert nach ihrem Qualitätsbegriff.
„Qualität ist“, meinen sie ohne lange zu überlegen, „mit den Tieren, mit dem Boden und seinem eigenen Tun in Harmonie zu sein. Qualität ist die Gesinnung, mit der man seine Arbeit verrichtet, die Gesinnung, mit der wir mit den Tieren und dem Boden umgehen. Qualität ist, das Vieh, den Boden, die Menschen nicht auszunutzen — auch sich selbst und die Familie nicht.“
Nach der Jause gehen wir hinauf auf die Alm. Die Hauptalm , auf der gemolken und gekäst wird, liegt auf 1.800 m, die Hochalm für die Jungtiere zieht sich bis auf 2.400 m hinauf. Rinder haben ein untrügliches Gefühl für den Rhythmus, zu Pfingsten beginnen sie unruhig zu werden, stehen am Gatter und wollen hinauf auf die Alm. Zirka 120 Tage sind sie nun ununterbrochen in freier Natur, bei jedem Wetter und mit ihnen abwechselnd der Bauer und der Jungbauer. Die frisch gemolkene Milch wird an Ort und Stelle verkäst, es wird Butter gemacht und die anfallende Molke den Schweinen, die übermütig um die Almhütte herumtollen, verfüttert. Von den letzten heißen Tagen haben die Schweine einen zart-rosa Sonnenbrand.
Der alpine Raum ist unser Reservoir für die ökologische und biologische Vielfalt. Er stellt eine seit Jahrhunderten gewachsene diffizile Stabilität dar, die der Natur — im Rohzustand mit ihrer gefährlichen Eigendynamik — abgerungen wurde. Werden die Wiesen nicht mehr bewirtschaftet, legt sich das ungemähte Gras im Winter auf den Boden — wie die ETH Zürich untersucht hat — , und das überlange, nach unten gedrückte Gras bildet ausgezeichnete Rutschbahnen für den Schnee. So nimmt die Lawinengefahr zu. Auch frieren die Halme am Schnee fest und können mitsamt den Wurzeln vom rutschenden Schnee ausgerissen werden. Im Sommer setzt dann die Bodenerosion ein, nach Unwettern kommt es zu Vermurungen und ganze Hänge können abrutschen.
Längst sind unsere Augen an den überdüngten, überwirtschafteten Wiesen der Landwirtschaft im Flachland ermüdet. Kaum wird das Gras 15 cm hoch, wird es schon wieder gemäht und zu Silage verarbeitet. Eine blühende Wiese in der Landwirtschaft des Flachlandes — wann haben Sie die zum letzten Mal gesehen?
Der Gang über eine blühende Wiese in den Bergen führt einem bildhaft vor Augen, was Biodiversität ist. Alles blüht, bildet Samen, eine unendliche Vielfalt prägt sich einem ein. Eine Vielfalt an Gräsern, Blumen, Kräutern, Insekten, Schmetterlingen, Vögeln und vielen Arten von Tieren. Augenblicklich sind wir gebannt von der Schönheit und von der Wirkung, die diese Schönheit auf uns hat. Diese Biodiversität hat einen unendlichen Wert, und unendliche Werte können nicht in Zahlen berechnet werden. Sie entziehen sich dem merkantilen Handeln. Die alpinen Regionen sind die Ressourcen für unsere Zukunft und die Zukunft unserer Kinder.
Über 2.000 verschiedene Gräser, Kräuter, Blumen wurden auf den Berghängen der Hohen Tauern im Oberen Pinzgau botanisiert. Das ist die Nahrungsgrundlage für die Kühe in den Bergen. „Alle Milch ist weiß. Wie will man da einen Unterschied feststellen können?“ meinte der Eigentümer eines großen Lebensmittel-Konzerns zu mir. Der Unterschied zwischen einer Milch aus dieser Umgebung und anderer Milch war auch für ihn bald erkennbar.
Meine Leidenschaft gilt dieser Landwirtschaft, mein Herz hängt an der Bewahrung der Landwirtschaft im alpinen Raum. Wenn hier die Landwirtschaft mit der richtigen Gesinnung und einer ökologisch umsichtigen Haltung betrieben wird, bekommen wir Lebensmittel von unvergleichlicher Qualität. Aber nicht alles ist heil, nur weil es in den Bergen geschieht. Ich habe Bauern gesehen, die auf ihrer Alm auf über 1.200 m Höhe Kunstdünger ausgebracht und Herbizide z.B. gegen den Sauerampfer gespritzt haben.
Auch in diesen Ungunstlagen gibt es Experten, die den Bauern erklären, dass die Art, in der sie bisher gearbeitet haben, überholt sei.
Im Handumdrehen
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