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Schmerzspuren

Titel: Schmerzspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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gut, wenn wir vorher mal kurz einen Hammer-Hit komponieren. Sonst ist es nämlich nichts mit Melonen und Gummibärchen. Dann kriegen wir höchstens faule Tomaten, und zwar genau zwischen die Augen.«
    Die andern buhen mich aus.
    »Spielverderber«, brüllt Max.
    Lea lässt sich auf den Stuhl fallen. »Hier sind schlechte Schwingungen im Raum. So kann ich nicht arbeiten.«
    Sie legt wie eine Diva die Hand an die Stirn.
    Tom und Benny brüllen aus einem Mund: »Zickenalarm!«
    Lea muss sofort lachen, springt auf und geht zu ihrem Mikro.
    »Dann los. Eins und zwei und drei und.«
    Wir gehen an unsere Instrumente und legen eine der geilsten Proben hin, die wir je hatten. Ich habe das Gefühl, als würde alle paar Minuten eine Rakete in mir hochgehen. So eine mit funkelnden Sternen. Am Abend lege ich mich mit dem verschwitzten T-Shirt ins Bett. Weil ich irgendwie das Gefühl habe, dass da noch ein paar Sterne drinstecken.
     
    In der Penne ist Vor-Zeugnis-Stress angesagt. Den ganzen Stoff, den die Lehrer in den letzten Monaten nicht geschafft
haben, peitschen sie jetzt noch schnell durch. Für mich ist das okay. Hab kein Problem damit, nachmittags ein paar Stunden am Schreibtisch zu sitzen. Neben der Band und dem Board interessiert mich eh nichts anderes. Ich melde mich sogar freiwillig für ein Geschichtsreferat. Dann habe ich wenigstens einen guten Grund, abends nicht mit auf der Couch zu sitzen und Mama und Papa beim Fernsehen zuzugucken. Für die andern in der Klasse bin ich natürlich der absolute Streber. Als mir in der Pause ein Ball ans Scheinbein springt, fällt mir auf, dass ich schon länger nicht mehr dabei bin. Ich werde gar nicht mehr gefragt, ob ich mitkicke. Dabei bin ich echt gut. Aber ich stehe genauso daneben wie Philipp früher. Und genau wie Philipp früher schieße ich den Ball nicht zurück. Ich schlender zu einer Mauer, setz mich mit dem Gesicht in die Sonne. Vielleicht bin ich ja eh nicht mehr lange hier. Die Jungs von Tokio-Hotel machen ihre Schule per Internet. Die kriegen ihre Hausaufgaben per Mail, schicken ihre Lösungen und Aufsätze per Mail zurück und fertig. Natürlich bin ich nicht doof. Wir werden mit den »New Cars« nicht in drei Monaten auf Deutschland-Tournee gehen. Aber wir werden bald unsern ersten Auftritt haben. Und dann kommt vielleicht der nächste. Vielleicht ein größerer. Und vielleicht können wir irgendwann mal im Studio ein Tape einspielen oder einen Clip bei YouTube unterbringen. So haben schon ganz andere Karrieren angefangen. Oder es gibt mal eine Casting-Show für eine ganze Band. Das wäre eigentlich genau das Richtige für uns. Dann ginge alles viel schneller. Und wir könnten in den Sommerferien eine kleine Tournee machen. In sechs Wochen
schafft man eine Menge. Köln zum Beispiel. Das wär der Hammer.
     
    Als ich ins Jugendhaus komme, riecht es nach Farbe. Der Geruch wird im Keller stärker. Als ich die Tür zum Probenraum aufmache, grinst Benny mich an. Er hat einen Hut aus Zeitungspapier auf dem Kopf und einen Pinsel in der Hand.
    »Vom Renovieren oben war noch Farbe über, da haben wir kurzfristig beschlossen, unsern Raum zu verhübschen«, lacht Lea. Sie hat unzählige hellblaue Farbspritzer im Gesicht und in den Haaren.
    »Und wieso hellblau? Ich fühl mich wie im Freibad im Babybecken«, stöhne ich.
    »Hellblau war halt übrig. Außerdem ist das nur der Hintergrund«, klärt Benny mich auf.
    »Der Hintergrund für was?«
    »Für Autos. Max hat behauptet, er kann gut zeichnen. Deshalb holt er sich gerade oben ein paar Eddings, dann malt er Autos auf die Wände. Wir sind doch schließlich die New Cars. Das muss man gleich sehen, wenn man hier reinkommt«, klärt Benny mich auf.
    »Stimmt. Wenn die erste Fotostory über uns gemacht wird, ist das total wichtig«, sage ich spöttisch nickend. Obwohl, eigentlich ist das eine gute Idee. Leider zeigt sich später, dass Max nicht ganz so gut malen kann, wie er behauptet hat.
    »Das sieht ein bisschen nach The total verbeulten Cars aus«, findet Lea.
    Ich würde sie am liebsten ignorieren. Mich direkt ans
Schlagzeug setzen und zuhauen. Bis der Ton mich ganz ausfüllt. Stark und rund und lebendig. Aber stattdessen muss ich Ben sein. Der Ben, den sie glauben zu kennen. Ich habe das Gefühl, auf einer Autobahn zu fahren. Ich bin schnell. Vor mir am Horizont wird die Spur immer enger. Es spitzt sich zu. Doch die Trantüten hier bremsen mich aus. Andauernd wollen sie eine Pause machen. Sie wollen nicht ankommen. Sie

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