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Schmerzspuren

Titel: Schmerzspuren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Ferien treiben. Ich bin einfach froh, hierzubleiben. So geil wie der Zelturlaub am See wird eh nichts mehr. Das war echt cool. Ob sie jetzt drei Wochen Griechenland buchen oder zwei Wochen Kreuzfahrt - so lustig wie damals kann gar nichts werden. Ich will lieber hierbleiben und Musik machen. Das zählt. Der Rest geht mir am Arsch vorbei.
    Ich trinke noch schnell meine Cola aus und geh auf mein Zimmer. Da nehme ich meine gesamte CD-Sammlung vor und suche Songs, die sich gut neu spielen lassen.
    Meine Mutter klopft. Sie hätten ganz vergessen, mir zu sagen, dass Oma am Sonntag kommt.

    »Ich wollte Sonntag eigentlich mal wieder skaten gehen.«
    »Kannst du doch danach. Sie freut sich so, dich zu sehen.«
    »Da hat sie allerdings eine komische Art, das zu zeigen.«
    »Jetzt sei nicht so. Du weißt doch, wie dramatisch sie sonst werden kann. Von wegen vielleicht ist es ja das letzte Mal.«
    Ich verkneife mir ein »Schön wär’s«.
     
    Oma fängt leider genau damit an. Sie tätschelt zittriger, als sie eigentlich ist, meinen Arm und stöhnt: »Ach, Ben, schön dass du da bist. Wer weiß, vielleicht ist es ja das letzte Mal.«
    Sie ist selber schuld.
    »Ja, wer weiß, vielleicht werde ich morgen von einem LKW überfahren.«
    Meine Eltern ziehen beide hörbar die Luft ein, meine Oma zieht erschrocken ihre Hand zurück. Sie braucht fast eine Stunde, bis sie zum Gegenschlag ausholt.
    »Wann geht Ben eigentlich das nächste Mal zum Friseur? Man könnte ja meinen, er sei ein Mädchen. Zu den schmalen Schultern noch die langen Fransen.«
    Das ist Oma pur. Ich würde mich jetzt gern über ihre Schultern, ihre schwabbeligen Oberarme und vor allem ihren Pferdearsch auslassen. Aber Mama antwortet schon. Natürlich findet sie meine langen Haare auch doof. Das weiß ich. Aber noch doofer findet sie es, wenn ihr Sohn, also ich, von ihrer Schwiegermutter kritisiert wird.
    »Das mögen junge Leute eben, Mutter.«
    »Woher willst du das wissen? So ganz jung bist du ja auch nicht mehr.«

    Meine Mutter sagt nichts. Ist wahrscheinlich zu sehr damit beschäftigt, eine Handvoll gemeiner Bemerkungen runterzuschlucken. Oma nutzt die Stille.
    »Ben, als ich in deinem Alter war, mussten die Jungen die Haare millimeterkurz tragen. Da können bei dir ja wohl ein paar Zentimeter runter, oder?«
    »Oma, als du in meinem Alter warst, gab es für ältere Menschen auch noch keine sechswöchigen Kuren, kein Aqua-Jogging, keinen fliegenden Konditor, der jeden Nachmittag mit Sahnetörtchen vorbeikommt, und keine Nachmittags-Talkshows im Fernsehen. Da waren alte Menschen Kohle klauen an den Bahngleisen oder so.«
    Meine Mutter hat ihre Sprache wiedergefunden. Und sie sagt nicht entrüstet »Ben!« Sie sagt nur: »Da hat er recht.«
    Oma funkelt sie giftig an.
    »Zumindest waren Mütter da zu Hause und haben nicht versucht, sich nebenbei zu verwirklichen.«
    Für mich ist der Nachmittag zu Ende. Ich stehe auf und geh auf mein Zimmer. Ich sitze gerade knöcheltief in meinen ganzen CDs, als meine Ma reinkommt. Sie lässt sich auf den Boden fallen und hebt theatralisch die Hände.
    »Womit habe ich diese Frau verdient?«
    Mein Vater bringt diese Frau offenbar gerade doch mal mit dem Auto zurück in ihr Spinnennetz.
    »Wer weiß, was du in deinem vorherigen Leben angestellt hast. Vielleicht ist sie eine Strafe«, mutmaße ich.
    Meine Mutter hat sich schon meinen CDs zugewandt.
    »Bist du auf dem Deutschrock-Trip? Da hätte ich auch noch was für dich.«
    Nach ein paar Minuten kommt sie mit ein paar verstaubten
CDs hoch. Wir hören erst Ulla Meinecke, dann PUR und dann noch einen Sampler, der unter dem Motto »Schlechte Texte schlecht gesungen« stehen könnte. Sie grinst mich unter ihrem Pony an.
    »Das ist ja ganz schön peinlich. Ich weiß gar nicht, was mir daran mal gefallen hat.«
    »Ist mir, ehrlich gesagt, auch ein Rätsel.«
    »Vielleicht war ich betrunken.«
    »Das könnte einiges erklären.«
    Ich drücke ihr ihre Horror-Scheiben in die Hand.
    »Danke. War ja nett gemeint.«
    Offensichtlich ist ihr peinlich, was sie mal so gehört hat. Wäre es mir auch. Aber immerhin. Es hätte ja auch Florian Silbereisen sein können. Als sie rausgeht, wuschelt sie mir durch die Haare. Und ich weiß, dass das auch irgendwie nett gemeint ist.
     
    Zum krönenden Abschluss dieses Kack-Tages meldet sich auch noch Lea. Sie kann am Dienstag nicht zur Probe kommen. Den Grund dafür nennt sie natürlich nicht. Immerhin lässt sie sich dazu überreden, dafür am Montag zu

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