Schmerzspuren
Labor.« Und fängt an, wie wild zu backen und zu kochen. Irgendwann hat sie mal einer Freundin vorgeheult, dass ich zu früh in die Kita gekommen sei. Ich habe ihr damals gesagt, dass ich wahrscheinlich auch nicht lange genug mit dem Kinderwagen rumkutschiert worden bin und nur deswegen noch so ein Bedürfnis nach Rollen unter mir habe, weshalb sie mir zwangsweise ein neues Skateboard kaufen müsse.
Das Thema Hockey ist damit erst mal vom Tisch. Wird einfach nicht mehr erwähnt. Für eine ganze Woche. Am nächsten Mittwoch ist mein Vater schon fast zur Tür raus, als er sich noch mal umdreht.
»Ich erwarte, dass du heute zum Training gehst. Wir werden das überprüfen.«
War ja klar. Ich fühle mich wie ein Hündchen. Herrchen hat gerade das Stöckchen weit weggeworfen, und ich muss losrennen, um es brav sabbernd zurückzubringen. Kann er haben. Als die andern Jungs auf den Platz kommen,
renne ich schon. Mit dem Schläger in der Hand umrunde ich den Platz. Bis alle wieder in der Umkleide verschwinden. Natürlich gucken sie blöd. Ich ignoriere ihre dämlichen Sprüche. Mir doch egal. Ich bin zum Training gegangen und renne brav mit dem Schläger rum. Genau wie die andern auch. Ich denke an die letzte Probe von unserer Band. Mehr interessiert mich nicht mehr. Und ich freue mich schon total auf das blöde Gesicht meiner Eltern, wenn sie heute den Trainer anrufen. Ich war da und ich bin wie blöd gelaufen. Bis alles wehtat und noch weiter. Was wollen sie mehr? Kann ich was dazu, dass mir keiner den Ball zuspielt? Wohl kaum.
»Vielleicht ist es wirklich besser, wenn wir dich sofort vom Hockey abmelden«, eröffnet mir meine Mutter beim Abendbrot.
Ich nicke nur.
»Die andern Spieler wollen dich wohl partout nicht mehr im Team haben.«
Mir bleibt echt das Käsebrot auf der Zunge kleben. Die wollen mich nicht mehr im Team haben? Die schließen mich aus? Wenn ich selber nicht mehr trainieren will, zählt das nicht. Aber wenn irgendwelche Scheißkerle sagen, dass sie mich nicht mehr dabeihaben wollen, ist das plötzlich ein Grund? Klar, was ist meine Meinung schon wert?
Ich gehe hoch, finde das Teppichmesser sofort. Tief ziehe ich eine Bahn über meinen Arm. Es schmerzt schön. Mehr als in meiner Brust. Es brennt mehr als in meinen Augen. Und das ist gut.
Das Thema ist für mich durch. Ich will mich nicht mehr darum kümmern. Wir haben den ersten Song richtig fertig. Es ist der Song, den Lea bei mir geschrieben hat. Sie hat ihn zu Ende getextet und er ist hammerschön.
Glaub nicht, was du siehst,
wenn du in meinen Augen liest.
Sei mal kurz still,
weil ich jetzt Tschüs sagen will.
Der neue Tag beginnt schon in der Nacht.
Lass mich gehn,
weil ein Traum in mir lacht.
Wenn die Katzen fauchen,
muss ich untertauchen,
muss endlich neue Wege finden,
mich nicht mehr an dich binden.
Der neue Tag beginnt schon in der Nacht.
Lass mich gehn,
weil ein Traum in mir lacht.
Halt die Welt für mich an,
weil ich es nicht kann.
Ich will aussteigen, fliehn,
will mit den Zugvögeln ziehn.
Nur manchmal möcht ich gern wissen,
werd ich dich wohl vermissen?
Wenn mich dein Lachen nicht befreit,
wie tief ist dann die Einsamkeit?
Ich kriege jedes Mal eine Gänsehaut, wenn sie ihn singt. Max singt nur beim Refrain mit. Die beiden Stimmen klingen total gut zusammen, obwohl sich Max anstrengen muss, um mitzuhalten. Lea hat echt Dampf. Das tut auch Benny und Tom gut, die ja sonst gern mal den Takt verschleppen. Tom ist allerdings ganz stolz, dass während des Refrains nur ein Basslauf zu hören ist. Wie ein hämmerndes Herz. Das geht direkt in den Magen. Ich finde auch Leas Performance cool. Sie hüpft nicht rum oder macht irgendwelche albernen Tanzschritte aus dem letzten Club-Urlaub auf Mallo. Sie wackelt auch nicht mit dem Arsch. Sie steht einfach am Mikro, hält es und sich mit beiden Händen fest.
Nach der letzten Probe wollte ich die andern überreden, dass wir uns vielleicht dreimal die Woche treffen. Von mir aus könnten wir jeden Nachmittag Musik machen, aber da haben sie gestreikt. Benny und Tom maulen, sie hätten so schon Schwielen an den Fingern. Erstaunlicherweise hat Max eine gute Idee.
»Wir könnten uns ja mal zu was anderem als Mucke treffen,.«
»Genau. Neue Songs schreiben«, schlage ich vor. Die andern lachen, als hätte ich einen Witz gemacht.
»Wir könnten ja einfach mal Inliner fahren oder so«, meint Max.
»Warum?«
»Weil das den Teamgeist fördert«, sagt Lea und
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