Schmetterball
Da habe ich auf der Internetseite die Änderungen gesehen.«
Die Qualifikationsspiele hatten vor drei Wochen stattgefunden. In wenigen Tagen ging es in die Endrundenspiele, die mit dem
Viertelfinale begannen. Wer verlor, schied aus.
Im vergangenen Jahr hatte Lennart die Stadtmeisterschaft gewonnen und er wollte seinen Titel unbedingt verteidigen. Deshalb
hatte sich Lennart besonders gut vorbereitet – aber auf einen falschen Gegner, wie er nun feststellen musste. Er las den Namen
des neuen Spielers laut vor: »Bodo Baumann«.
»Kennst du den?«, fragte Michael. Er hatte den Namen noch nie gehört.
Lennart grübelte. »Bodo Baumann«, wiederholte er langsam. »Bau-mann . . .« Plötzlich hellte sichsein Gesicht auf. »Ach so, Baumi!«, rief er laut. »Klar! Ich hab schon gegen ihn gespielt. Ich hatte ganz vergessen, dass
der Baumann heißt!«
»Wie sind deine Chancen gegen den?«, wollte Michael wissen.
»Fünf Begegnungen – fünf Siege!« Die Antwort kam aus dem Hintergrund. »Lennart hat immer haushoch gewonnen! Ich hab die Ergebnisse
schon im Internet nachgesehen«, beantwortete Jabali Michaels Frage, ohne ein Anzeichen der Erschöpfung in seinem Ton.
Keiner seiner vier Freunde zweifelte daran, dass Jabali die Strecke von zu Hause hierher in die Halle gelaufen war. Exakt
4588 Meter, wie Jabali ihnen schon mehrfach mitgeteilt hatte. Dass er von zu Hause kam, erkannten sie auf den ersten Blick an der
rollenden Kühltasche, die Jabali hinter sich herzog.
Trotzdem deutete nichts an Jabali auf irgendeine Anstrengung hin. Keine einzige Schweißperle. Keine noch so zarte Errötung,
die man allerdings bei seiner dunklen Haut auch kaum erkannt hätte. Lennarts Gesicht war dagegen fast so rot wie das Stirnband,
das er meistens beim Spielen trug.
»Pausensnack gefällig?«, fragte Jabali in die Runde.Er öffnete seine Kühltasche und überreichte Ilka seine Kreation des Tages. »Tischtenniseis! Bedient euch selbst!«
Michael und Linh ließen sich das nicht zweimal sagen. Sie fischten sich eine runde Waffelplatte, mit dunkler Schokolade umhüllt
und mit einem Holzstiel wie ein Schlägergriff versehen, heraus. Sie war mit je einem orangefarbenen und einem weißen Eis-Tischtennisball
belegt.
Linh schloss einen Moment ihre Augen und strich mit der Zunge genüsslich über die Kugeln. Jabalis Eiserfindungen waren einfach
immer himmlisch.
»Übrigens genau 40 Millimeter Durchmesser, wie die echten Bälle«, bemerkte Jabali.
Manchmal nahm er es sehr genau, dachte Ilka. »Wären es nur 35 Millimeter, würden sie natürlich vollkommen anders schmecken«, frotzelte sie.
»Hauptsache lecker!«, meinte Michael, der sein Eis schon fast verschlungen hatte.
Lennart löste den Blick von dem neuen Spielplan und sagte: »Nichts gegen dein Eis, Jabali, aber jetzt ist Training. Wenn ich
eine zu lange Pause einlege, verliere ich den Tisch.«
Linh nickte und stimmte ihm zu, denn sprechen ging nicht. Sie hatte gerade ein großes Stück Waffelabgebissen. Und obwohl sie ja Lennarts Trainingspartnerin war, wollte sie auf das göttliche Eis auf gar keinen Fall verzichten.
Wie Lennart befürchtet hatte, kam Herr Wittler schon herbeigeeilt. »Was ist jetzt mit Tisch Nummer sieben? Geht’s da bald
weiter oder gebt ihr ihn ab?«
Herr Wittler war sehr darauf bedacht, dass alle Tische gut ausgelastet waren, damit für die Spieler möglichst wenig Zwangspausen
aufgrund fehlender freier Tische entstanden.
»Wir kommen ja schon, sofort«, antwortete Lennart.
»Sofort?«, fragte Linh. »Nee, gleich!« Und machte ihr Ich-liebe-Jabalis-Eis-Gesicht.
Lennart wusste, dagegen hatte er keine Chance.
»Komm, wir beide machen weiter, bis Linh mit Genießen fertig ist«, bot Michael sich an und ging schon mal Richtung Tisch.
Lennart folgte ihm mit dankbarem Blick und auch Linh schien hochzufrieden.
Zwischenfall
Linh war von den vieren mit Abstand Lennarts beste Trainingspartnerin, aber auch das Training mit Michael hatte seine Vorzüge.
Michaels Bälle trafen zwar nur selten Lennarts Spielfeldhälfte und sausten stattdessen oft quer in alle Richtungen durch die
Halle oder knallten sogar gegen die hohe Hallendecke; aber wenn sie doch mal richtig landeten, dann waren seine Bälle so schräg,
ungewöhnlich und unberechenbar, dass sie bestens für Lennarts Reaktionstraining und für die Verbesserung seiner Returns geeignet
waren.
»Wurde aber auch Zeit, dass ihr wieder spielt«, bemerkte Herr Wittler
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