Schmetterball
Vater hat sich mal um meine Bonsais gekümmert, als wir eine Woche im Trainingslager
waren.«
Lennart sah Linh kurz fragend an.
»Er hat es zu gut gemeint und die Bonsais begossen, als wären es Sumpfpflanzen. Mein schönster ist mir eingegangen.«
»Und?«, fragte Lennart.
»Ich habe eine Woche lang kein Wort mit meinem Vater gesprochen. Dann hab ich begriffen: Er hat es nicht besser gewusst.«
»Aha«, sagte Lennart knapp.
»Michael hat es auch gut gemeint . . .«
»Gut gemeint? Wieso nimmt der sich einfach meinen Schläger?«, fuhr Lennart dazwischen.
Linh nickte. »Er hatte keine Ahnung, wie wertvoll und wichtig so ein Schläger ist.«
Lennart schüttelte den Kopf. »Aber meine Chancen auf den Sieg sind auf null zusammengeschmolzen. Oder woher soll ich einen
Ersatz für meinen Schläger bekommen?«
»Wenn du in einem Loch sitzt, musst du zuerst mit dem Graben aufhören«, zitierte Linh wieder eines ihrer Sprichworte.
Lennart begriff, was Linh damit sagen wollte.
Linh nickte ihm zu. »Ich würde ein Match nicht verloren geben, bevor es überhaupt begonnen hat.«
»Du hast recht«, sah Lennart ein. »Hilfst du mir?«
»Klar!«, versprach Linh und freute sich über seinen neu geweckten Kampfgeist.
Lennart rannte in die Halle zurück. Vor lauter Ärger stand sein Tisch schon wieder eine ganze Zeit leer und er wusste: Diesmal
konnte das Wiesel ihm den Trainingstisch ganz entziehen!
Doch zum Glück war Herr Wittler mit anderen Jungs beschäftigt. Schnell kramte Lennart aus seiner Sporttasche einen seiner
Trainingsschläger hervor. Er wiegte ihn in der Hand und sprach mit ihm, als ob es ein Lebewesen wäre. »Na, dann wollen wir
mal sehen, was du draufhast.«
»Ich?«, fragte Linh, die jetzt bei ihm ankam.
»Du auch!«, lachte Lennart zurück. »Aber ich meinte ihn hier.«
Zur Erklärung hob er seinen Schläger hoch. »Vor zwei Jahren hab ich mit dem mal eine Meisterschaft gewonnen. Bin gespannt,
was der noch kann.«
»Ich denke, das hängt von dir ab«, gab Linh zurück.
Sie warf einen Ball in die Luft und eröffnete das Match mit einer raffiniert angeschnittenen Angabe.
Lennart musste sich mächtig nach dem Ball recken, erwischte ihn aber gerade noch. Sein Return landete an der oberen Netzkante,
von der der Ball unerreichbar für Linh heruntertropfte.
»’tschuldigung!«, rief Lennart zu ihr rüber. Aber der Punkt gehörte ihm.
Währenddessen hatten sich Michael, Jabali und Ilka zu Hause bei Michael versammelt. Aufgeregt tippte Michael auf der Tastatur
seines Computers.
»Vielleicht haben wir ja Glück«, sprach er sich selbst Mut zu. Ihm war eine Idee gekommen, wie er vielleicht doch noch rechtzeitig
Lennarts Schläger ersetzen konnte. Es war Michaels einzige Idee und letzte Chance.
»Na komm schon«, redete er mit sich selbst, während Ilka und Jabali ihm über die Schulter schauten und zusahen, wie Michael
in das Suchfeld einer Internet-Auktion das Wort »speedball« eintippte.
Und tatsächlich ein Treffer: Es gab einen einzigen Schläger des gesuchten Typs. Und die Auktion endete bereits in fünf Minuten.
»Yeah!«, brüllte Michael. »Den holen wir uns!«
»Du hast einen eigenen Account für die Seite?«,wunderte sich Ilka. »Da würden meine Eltern austicken!«
»Das ist der Account von meinem Vater«, grinste Michael. »Ich weiß sein Passwort – für den Notfall!«
»Notfall?«, fragte Jabali nach. Was konnte es beim Einkaufen im Internet für Notfälle geben?
»Mein Vater nutzt seinen Computer im Büro nicht für private Zwecke«, erklärte Michael. »Deshalb muss ich manchmal von hier
aus für ihn bieten. Und außerdem: Das hier ist wohl ein Notfall. Ich erkläre ihm heute Abend den Kauf des Schlägers.«
»Erst mal müssen wir ihn haben«, wandte Jabali ein.
Noch war der Preis akzeptabel, obwohl Michael zuerst dreimal hatte schlucken müssen. »32 Euro 15 für einen Tischtennisschläger? Ganz schön teuer!«
»Mann!«, klärte Ilka ihn auf. »Normalerweise kostet der umgerechnet fast 60 Euro!« Lennart hatte seinen Schläger ja in den USA gekauft und in Dollar bezahlt.
»Echt?«, wunderte sich Michael. »Für so ein kleines, zerbrechliches Ding aus Holz und Gummi.«
»Hoffentlich wird der nicht noch wesentlich teurer«, betete Jabali. Etwas mehr als 30 Euro warenmachbar, wenn sie alle zusammenlegten. Aber Jabali wusste aus Erfahrung, dass bei solchen Auktionen der Preis oft erst in
den letzten Minuten schlagartig anstieg.
Nervös
Weitere Kostenlose Bücher