Schmetterball
er ruhig wurde. Vollkommen ruhig und konzentriert. Er wusste genau, wohin er seinen Aufschlag
setzen würde, welchen Drall er dem Ball mitgeben würde.
Pass auf, Baumi!, dachte Lennart. Pass gut auf!
Lennart warf den Ball hoch, verfolgte den Flug mit seinem Blick, bis der Ball zurückkam, auf seinen Schläger tropfte, wo Lennart
ihm im exakt richtigen Moment mit einer leichten Drehung aus dem Handgelenk den letzten Effet mit auf den Weg gab.
Der Ball sauste millimeterscharf über die Netzkante, ohne sie aber zu berühren, tippte auf Baumis Hälfte auf und zischte sofort
nach links außen ab, sodass Baumi nur noch mit seinem Schläger in den Wind schlug.
»Yeah!«, rief Jabali vor Begeisterung.
»Fliegenfänger!«, grölte Michael Baumi zu.
Linh und Ilka klatschten laut Beifall. »Ein Superschlag!«
»Ja!«, freute sich Lennart. Genauso hatte er es sich vorgestellt. Er spürte, wie das Gefühl für seinen alten Schläger in seinen
Arm zurückkehrte. Die Erinnerung an die Meisterschaft, die er mit diesem Schläger einmal geholt hatte, stellte sich langsam
wieder ein. Er und der Schläger fanden allmählich wieder zueinander wie zwei Freunde, die sich lange nicht gesehen hatten
und nun erneut merkten, was sie füreinander empfanden.
Drei Aufschläge hatte Lennart noch, die er alle souverän verwandelte, ohne dass Baumi auch nur die geringste Chance hatte,
den Ball überhaupt zu berühren.
Lennart konnte sich immer besser konzentrieren. Und gewann souverän den dritten Satz. Die Fehlentscheidung des Schiedsrichters
war vergessen. Es stand 2:1 nach Sätzen.
Lennart trocknete sich das verschwitzte Gesicht mit einem Handtuch, trank einen großen Schluck aus seiner Wasserflasche.
»Jetzt mach den Sack zu!«, rief Michael.
»Die Sache hast du in der Tasche!«, ergänzte Jabali.
Auch Ilka feuerte Lennart begeistert an.
Nur Linh warnte: »Jetzt nicht übermütig werden, Lennart. Konzentriere dich!«
»Was hast du denn?«, fragte Michael sie verwundert. »Das ist doch jetzt nur noch Formsache.«
»Das ist es im Wettkampf nie, Michael!«, korrigierte Linh.
Lennart und Baumi begaben sich zurück an den Tisch. Lennart brauchte jetzt nur noch diesen einen Gewinnsatz, um das Halbfinale
zu erreichen.
Der vierte Satz begann, wie der letzte geendethatte. Lennart ging klar in Führung. Doch auch Baumi zeigte Kämpferqualitäten. Dass der Punktestand zwischen ihm und Lennart
überhaupt so knapp war, war schon eine kleine Sensation und beflügelte Baumi umso mehr, jetzt auf keinen Fall aufzugeben.
Zwei, drei Schmetterbälle fegten Lennart um die Ohren, mit denen er überhaupt nicht gerechnet hatte, weil er gar nicht wusste,
dass Baumi über eine derartige Schlagtechnik verfügte. Doch Baumi war nun bereit, Risiken einzugehen. Er hatte nichts mehr
zu verlieren, aber ein Match gegen einen großen Favoriten zu gewinnen. Das machte ihn außerordentlich gefährlich.
»Hab ich doch gesagt«, erinnerte Linh. »Über heblichkeit ist der Anfang vom Ende.«
»Mann, nun nerv nicht«, blaffte Michael sie an. Und dann brüllte er wieder zum Tisch: »Los Lennart. Mach ihn platt!«
Lennart führte mit 10:9. Er hatte Aufschlag, legte den Ball flach auf seine Hand und warf ihn wieder fast senkrecht über sich.
Doch diesmal berührte der Ball das Netz leicht. Ein Netzroller!
Das kann vorkommen, beruhigte Lennart sich selbst. Bei einem Netzroller hat man die Möglichkeit,den Aufschlag zu wiederholen. Lennart wollte auf keinen Fall riskieren, bei seinem erneuten Aufschlag den Ball womöglich ins
Netz zu schlagen. Bei einem weiteren Punktverlust müsste der Satz verlängert werden. Das wollte Lennart möglichst verhindern.
Diese Chance, das Spiel mit dem nächsten Punkt für sich zu entscheiden, wollte er unbedingt nutzen. Darum spielte er den Aufschlag
so, dass der Ball mit genügend Abstand über das Netz flog. Er landete zwar nicht deutlich auf der gegnerischen Tischhälfte,
aber er sprang gut sichtbar für jeden von der Platte direkt ins Aus. Lennart hob die Arme. Geschafft!
Der Schiedsrichter jedoch zeigte den Ball im Aus an!
Lennart konnte es nicht fassen! »Bitte?«, fragte er giftig. »Der war doch noch so viel auf der Platte!« Er spreizte den Daumen
und den Zeigefinger seiner linken Hand und zeigte dem Schiedsrichter an, wie viel Platz zwischen Ball und Tischkante geblieben
war. »Da passte noch ein ausgewachsenes Walross dazwischen!«
Damit handelte er sich eine Ermahnung ein.
»Den
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