Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Ellison
Vom Netzwerk:
nämlich einen dieser Aschenbecher haben muss, ich muss ich muss ich muss . Es ist dieser Zwang, ich kann nichts dagegen tun. In meinem Kopf gibt es nur noch ihn und dieses überwältigende Verlangen . Es ist sogar noch schlimmer als ein Verlangen. Sein Glänzen durchdringt meinen ganzen Körper, es ist in jedem Nerv, jeder Zelle. Und es zieht mich vorwärts, Zentimeter für Zentimeter. Ich habe keine Wahl. Ich kann es nicht stoppen.
    Ich warte, bis der große dicke Türsteher einen Kunden zurechtweist, weil er versucht hat, eine Kellnerin zu begrapschen. Dann schleiche ich mich hinter die Absperrung und greife den ersten Aschenbecher, den ich kriegen kann. Ich bin wie von einem Rausch ergriffen, der meinen Kopf klärt. Sofort fühle ich mich, als ob alles auf der Welt in Ordnung wäre, als ob das Universum und das Sonnensystem und alle großen, heiligen Planeten und jeder Grashalm und jede einzelne frischgefallene Schneeflocke sich nur für mich drehen und wachsen und fallen. Wenn ich herausfinde, wo der Aschenbecher hingehört, wo er hineinpasst, wird alles vollkommen sein: Ich werde die Leere zustöpseln, den wirbelnden, saugenden Abfluss des Universums ins Chaos.
    Gerade will ich den Aschenbecher in meine Handtasche gleiten lassen, als ein kleines Mädchen mit lockigen Haaren und ihr Kunde, begleitet von einem weiteren riesenhaften Türsteher, die Treppe hinaufkommen und um die Ecke biegen. Sie kommen direkt auf mich zu. Ich stecke ihn hastig ein, verstecke mich hinter einem der schweren Samtvorhänge zu meiner Rechten und bete, dass sie mich nicht gesehen haben.
    Ich trete hinter einen weiteren Vorhang und falle rückwärts in ein abgetrenntes, mit Leder bezogenes Séparée auf etwas Warmes, das sich bewegt.
    Eine tiefe Stimme sagt ganz nah an meinem Ohr: «Wo kommst du denn her?»
    Nicht etwas. Jemand. Ich wende den Kopf und sehe einen Mann: überrascht, lächelnd. Hinreißend.
    Ich bin so erschrocken, dass ich einen Augenblick brauche, um zu merken, dass ich auf seinem Schoß sitze.

[zur Inhaltsübersicht]
    Kapitel 10
    Der Mann und ich starren uns gegenseitig an. Mein Körper hat anscheinend all seine Funktionen eingestellt. Ich kann nur noch denken: gut aussehend. So dermaßen gut aussehend . Und kurz vergesse ich, wo ich bin und weshalb ich hier bin.
    Nach einer Weile, die mir wie Stunden vorkommt, sagt er etwas:
    «Ich vermute mal, dass du nicht vorhattest, auf dem Schoß eines Fremden zu landen?» Er lacht, und um seine Augenwinkel bilden sich Fältchen. Er sieht aus wie Mr. Hamilton, mein sehr süßer Englischlehrer aus der Zehnten, der mich nach Orens Tod lange und aufrichtig umarmte und sagte: «Lo, nimm dir für alles so viel Zeit, wie du brauchst, okay? Ich kann mir nicht ansatzweise vorstellen, was du gerade durchmachst.» Mr. Hamilton – der Einzige, der zur Beerdigung kam, der Einzige, der den Schneid hatte, die grauenvolle Wahrheit zuzugeben: dass er keine Ahnung hatte und haben konnte . Dass die Trauer vielleicht niemals vergehen würde.
    Ich versuche etwas zu sagen, aber der einzige Laut, den ich zustande bringe, ist ein tiefes «Hnnn.»
    «Entschuldige, wie unhöflich von mir», lacht der Mann. «Ich heiße Gordon Jones. Ich würde dir ja die Hand geben, aber … ich nehme an, über dieses Stadium sind wir möglicherweise schon hinweg.» Er macht eine kleine wedelnde Handbewegung, um die (ziemlich kurze) Entfernung zwischen uns zu beschreiben, und dabei streift er vielleicht zufällig mit den Fingern meinen Nacken. Mein Atem stockt, aber ich zucke nicht zurück.
    «Ich heiße Penel…», setze ich an, bevor ich mich fange, «… Juuuliet.» Das «u» ziehe ich lang, in der Hoffnung, dass er meinen Patzer übergeht.
    Tut er aber nicht. «Also, Penel-Juuuliet , vergib mir, dass ich das sage, aber wenn mir schon jemand aus dem Nichts in den Schoß fallen muss – wörtlich und im übertragenen Sinn –, dann bin ich froh, dass dieser Jemand so schön ist.» Er schaut mir in die Augen. Ich bin völlig erstarrt.
    Schon wieder das Wort. Schön. Es lässt meine Wangen so heiß werden, dass sich Zähne und Zahnfleisch fast verbrennen. Und Gordon Jones mit seinem blauschwarzen Haar, den großen grünen Augen, dem scharfgeschnittenen Kinn und seinem schwarzgrauen Business-Anzug findet, dass dieses Wort zu mir passt.
    «Ich – ich bin neu hier», quieke ich endlich.
    Er legt mir väterlich die Hand auf den Rücken und sagt: «Hey, es ist okay, wenn du aufgeregt bist. Orte wie dieser machen mich

Weitere Kostenlose Bücher