Schmetterlingsjagd (German Edition)
des Tens, beschließe ich: Sie sieht viel zu alt für den Laden aus. Ein paar von uns glauben, dass Simone heimlich auf Bewährung auf der High School ist und ihren Abschluss so lange nicht machen kann, bis sie ihre Strafe abgearbeitet hat – und dass sie schon seit fünfzehn Jahren auf Bewährung ist. Deshalb ist sie immer so schlecht gelaunt und hat nur Drückeberger-Kurse belegt – sie hat die Sache längst aufgegeben. Simone Rothbait wird bis in alle Ewigkeit auf der High School bleiben.
Ich trete schnell zur Seite und lasse die Kellnerin durch, genau so mache ich es auch mit Simone, wenn ich ihr an der Carver begegne. Gleichzeitig greife ich nach dem Schmetterling in meiner Tasche. Fünf Reihen mit sechs Tischen. Dreißig Tische. Drei mal zehn. Ich konzentriere mich auf die Drei und schiebe die Zehn fürs Erste weg. Darum kümmere ich mich später. Die rothaarige Tänzerin erscheint hinter der Bühne, und ich folge ihr in den Flur, der im hinteren Teil des Clubs liegt.
Denk dran. Du bist nicht Lo. Du heißt Juliet. Du bist neu hier.
«Entschuldige.» Ich tippe dem rothaarigen Mädchen auf die Schulter und kann mich gerade noch zurückhalten, ihr auch noch auf die andere Schulter zu tippen.
Sie wirbelt herum. Ihr Gesichtsausdruck wechselt schnell von Ärger zu Verwirrung. Keri – jetzt erkenne ich es – sie ist die Keri Ram. Die Abschlussballkönigin. Das hübsche Prinzesschen, aber mit ausreichend winzig kleinen Makeln, sodass selbst die sehr eifersüchtigen Mitschüler sie nicht wirklich hassen können.
«… Kann ich dir irgendwie helfen?»
«Äh, hallo. Ja. Ich, äh, bewerbe mich hier gerade für einen Job, und der Geschäftsführer hat mir gesagt, dass ich mich hier mal umsehen und mit den Mädchen reden soll. Ist das okay? Mit dir über den Club zu sprechen, meine ich?» Ich weiß gar nicht, wo ich hinsehen soll, während ich mit ihr rede. Mein Blick bleibt immer wieder am glitzernden Tanga hängen, von dem pinkfarbene Fransen baumeln und bei jeder ihrer Bewegungen zart hin und her schaukeln.
Ich zupfe an meinem Hemdchen von Gap und meinem Röckchen, das gerade eben bis zu den Knien reicht (noch aus der achten Klasse). Dazu Moms billige Pumps aus den Achtzigern – in ihren Augen muss ich aussehen wie ein Kind, eine Drogensüchtige, eine Besucherin aus einem fremden Land.
Aber ihr Gesicht entspannt sich. Sie fährt sich mit der Hand durchs Haar. «Oh. Ja, klar. Ich meine, es ist hier auch nicht anders als in den anderen Clubs, aber …» Sie zuckt die Schultern und bückt sich dann, um erst den einen, dann den anderen ihrer schwarzen, mit Strass-Steinchen besetzten Highheels abzustreifen. Dabei zuckt sie kurz zusammen und zeigt dann auf einen Flur, der direkt vor uns liegt. «Ich wollte gerade in den Pausenraum gehen, willst du mitkommen? Ist ruhiger dort. Da kann man besser reden.»
Ein Wachmann öffnet uns den Weg in einen abgesperrten Flur. Ich klopfe ganz, ganz leise tip tip tip, Banane .
«Zieh den Kopf ein», warnt mich die Rothaarige, «die Decke ist hier sehr niedrig.»
***
Fünf Mädchen sitzen im Pausenraum, wenn man mich mitzählt, sind es sechs, und wir haben uns gerade begrüßt. Das Mädchen, das mich an Keri Ram erinnert, heißt Marnie, und die anderen stellen sich als Suzie, Randi, Lucy und Lacey vor. Wahrscheinlich sind alle Namen erfunden. Sie frischen ihr Make-up auf, spielen mit viel zu kleinen Spitzentangas herum, sprühen sich Parfüm auf die Handgelenke und auf die Fesseln und den Nacken. Zwei Mädchen haben fast gleichzeitig ihre Zigaretten aufgeraucht und ziehen simultan neue aus ihren Päckchen, die sie sofort anzünden, kaum dass sie die alten ausgedrückt haben. Sie entspannen sichtlich, sobald das Feuerzeug klickt. Irgendwie beruhigt mich das. Sie sind offenbar auch nervös. Versuchen es, so gut es geht, zu verbergen. Um irgendwie zurechtzukommen.
Lacey hat einen Leberfleck auf der Wange. Sie hat mir gerade die Clubregeln erklärt. Die Nägel müssen immer lackiert sein. Niemand darf komplett nackt an der Stange tanzen. Zwei Tage im Monat darf man krank sein, man wird rausgeworfen, wenn man einfach so nicht erscheint und die Show deswegen ausfällt. Keine Drogen.
«Aber mach dir keine Sorgen», Suzie atmet eine Rauchwolke aus, «sie sind wirklich gar nicht streng, was das angeht.»
«Also fühlt ihr euch hier ganz sicher?», versuche ich das Gespräch auf Sapphire zu lenken. «Ich meine, ihr müsst hier vor niemandem Angst haben?»
«Dann und wann gibt
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