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Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Ellison
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grün. Vor mir höre ich Stimmen und erstarre. Aber es sind nur zwei ältere Männer, die aus einer schmuddeligen Bar kommen.
    Ich klopfe tip tip tip, Banane , rechts und links, dann trete ich ein.
    Es ist dämmrig in der Bar, und ich brauche ein wenig, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben.
    «Hast du einen Ausweis, kleines Fräulein?», fragt der Barkeeper. Seine dünnen, sehnigen Arme sind mit Tattoos bedeckt, die zu seiner dunklen Haut passen. Auf dem linken erkenne ich ein vollbusiges Pegasus-Mädchen, umgeben von Vögeln, die Spruchbänder in ihren Schnäbeln halten; auf dem rechten drei schlanke Eisbären. Der eine hält eine Cola-Dose in seiner Tatze, wie auf diesen alten Werbeplakaten.
    «Nein, ich …», stammle ich. Der Atem bleibt mir in der Kehle stecken. Ich schüttele drei Mal den Kopf, mein Gesicht ist schamrot. Ich zittere noch von meiner Flucht. «Ich brauche nur …»
    «Tut mir leid, aber ich kann dich nicht hierbleiben lassen, wenn du nicht einundzwanzig bist.» Er bläst seine knochigen Wangen auf und schlägt leicht mit der Faust gegen den Tresen; das vollbusige Pegasus-Mädchen tanzt. «Ich mach hier nicht die Regeln, aber ich muss …»
    «… verfolgt … ich glaube, ich werde verfolgt», platze ich laut heraus. Einer der Kunden – Tweedmütze, schiefe Zähne – wirbelt auf seinem Barhocker herum, um mich anzuschauen. «Ich … ich muss nur mal telefonieren.» Natürlich habe ich mein Handy nicht dabei, wenn ich es mal wirklich brauche. «Bitte.»
    Seine Augenbrauen senken sich. «Alles okay mit dir?», fragt er mit tiefer und ernster Stimme. «Hast du irgendein Problem mit einem Jungen? Soll ich die Bullen rufen?» Durch sein Alice-in-Chains-T-Shirt kann man seinen knochigen Brustkorb erkennen. «Ich meine, ich würd’s tun. Sie kennen mich da zieeemlich gut.»
    Der andere Kunde – strubbelige graue Haare, extrem hängende Augenlider, mit dickem Bauch und Beinchen wie Zahnstocher – lacht laut. «Genau. Das tun sie, Joey. Ganz sicher.» Er wendet sich an mich. «Joe hat acht Jahre abgesessen. Bewaffneter Raubüberfall.» Er lächelt. Ein Zahn fehlt, der rechte obere Eckzahn. «Das ist kein Geheimnis», versichert er mir. Er lehnt sich zu mir herüber, seine Stimme ist jetzt ein raues Bellen. «Das ist das Erste, was er den meisten Leuten erzählt, echt wahr. Er ist jetzt aber rehabilitiert, oder? Ich plauder hier keine Geheimnisse aus, oder, Joe?»
    Ich schaue mich um: Es ist ein schäbiger, heruntergewirtschafteter Laden. Der Geruch nach Dreck und kaltem Zigarettenrauch hängt in jedem Winkel. Auf einem Schild auf dem Spiegel steht Clementine’s .
    Ich trete zu Joe an den klebrigen Tresen und zupfe an beiden Seiten meiner Jacke. Dabei zähle ich die Kentucky-Gentleman-Whiskyflaschen, die vor der schwarzen Wand aufgereiht stehen: achtzehn. Dad trinkt Glenlivet. Er hat mir mal erzählt, dass er nach Karamell schmeckt, und natürlich habe ich daraufhin heimlich davon probiert, als er nicht hingesehen hat. Es hat überhaupt nicht nach Karamell geschmeckt. «Nein», sage ich viel zu schnell. «Nicht die Polizei rufen. Bitte. Ich muss nur … telefonieren.»
    Es gibt keine andere Möglichkeit, niemand anderen.
    Joe hockt sich hin und greift nach etwas, das auf einem Bord kurz über dem Boden steht. Als er sich wieder aufrichtet, hält er ein altes Telefon mit Wählscheibe in der Hand. Vorsichtig stellt er es auf den Tresen.
    «So, leg los», sagt er, tritt zurück und nimmt eine halbvolle Flasche Kentucky Gentleman, aus der er beiden Kunden einschenkt.
    Ich stecke meine Finger in die Löcher der Wählscheibe und drehe sie. Es klingelt. Ich warte mit angehaltenem Atem.
    Klick.
    «Hallo?» Dads Stimme.
    «Dad?» Meine Stimme krächzt durch die Leitung.
    «Lo?» Seine Stimme bricht. Er räuspert sich. «Penelope, was ist los? Wo bist du?»
    Ich versuche, die Sprechmuschel mit den Händen abzuschirmen, damit er das Scharren der Stühle und Klirren der Gläser nicht so hört. Was, wenn er so sauer wird, dass er nicht kommt? «Ich habe mich verirrt», sage ich. «Ich rufe aus einer Bar an.» In meiner Kehle fühlt es sich ganz eng an. «Kannst du mich abholen?»
    Ich kann mir genau die dunkelblau pochende Ader auf seiner Stirn vorstellen. «Wo bist du, Lo?»
    Mit der Hand bedecke ich die Muschel und wende mich zu Joe um, der auf einen winzigen Fernseher unter der Decke starrt: Montag-Abend-Football. Die Browns gegen die Bears. «Wie ist die Adresse?»
    «Eins-Sechs

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