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Schmetterlingsjagd (German Edition)

Schmetterlingsjagd (German Edition)

Titel: Schmetterlingsjagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Ellison
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Menge Morde. Und es herrscht ein großer Druck auf die Abteilung, jemanden festzunehmen, die Sache einzutüten und zu den Akten zu legen. Verstehst du, was ich sagen will?»
    Ich antworte nicht. Sie reibt sich die Stirn. «Lass mich noch mal von vorn anfangen. Schau, jeder mag es, wenn ein Mordfall abgeschlossen ist. Das macht alle froh. Und mit manchen Fällen macht man es so: Man schließt sie einfach ab. Aber dieser Fall …» Sie räuspert sich. «Ich glaube, dass ein paar wichtige Einzelheiten unbeachtet geblieben sind. Du hast auf dem Polizeirevier etwas gefragt, das mein Interesse geweckt hat. Du wolltest wissen, ob sie ihren Lippenstift dabeihatte, als sie starb. Warum hast du gerade danach gefragt?»
    Ich zucke mit den Schultern und lasse mich tiefer in die Couch sinken. «Weiß nicht.»
    Ihre schwarzbraunen Augen weiten sich. Sie beugt sich in Orens Lieblingssessel leicht vor. «Penelope, ich glaube, du verschweigst mir etwas.»
    Ich starre sie stumpf an. Ich fühle nichts. Eine große, graue Ebene. «Hören Sie, ich weiß nicht mehr, was ich da gesagt habe», lüge ich. «Sie ist tot. Ich sehe keinen Grund, jetzt noch herausfinden zu wollen, warum. Nichts davon bringt sie zurück.»
    Officer Lucile Gardners rundliche Wangen scheinen in sich zusammenzusinken. «Wenn du so denkst, dann nein», sagt sie. «Nichts passiert dann. Nichts wird sich ändern.» Sie richtet sich auf und legt die Hände flach auf die Knie, ihre Arme sehen aus wie zwei dünne parallele Striche. «Aber ich würde trotzdem gern wissen, warum du nach dem Lippenstift gefragt hast. Ich möchte wissen, woher du davon weißt.»
    Ich zähle die losen Fäden an ihren Ärmeln – zwei auf dem linken, einer auf dem rechten. Getrennt – schlecht, aber zusammen, gut, richtig, sicher . Dennoch kann ich ihr kaum erklären, dass ich den Lippenstift nicht finden konnte, als ich in Sapphires Haus eingebrochen bin und ihre Sachen durchwühlt habe. Denn das würde bedeuten, dass ich einer Polizistin verrate, dass ich in das Haus eines Mordopfers eingedrungen bin und es durchsucht habe. Also ziehe ich die Schultern bis zu den Ohren hoch und sage dann: «Ich dachte nur, dass sie ihn bei sich gehabt haben müsste, weil er ihr liebstes Stück war.»
    Das kann ich ihr auch nicht erklären: dass ich all ihre Lieblingsdinge habe, dass ich mich nicht von ihnen trennen will, dass ich mich nicht von ihnen trennen kann . Ich kann nicht erklären, dass das, was einmal ihr gehört hat, jetzt uns beiden gehört. Ich kann ihr nicht erklären, dass sie für immer zum Schweigen gebracht, für immer verschwunden wäre, wenn ich nicht ihren Schmetterling und ihren Pferdchenanhänger hätte.
    Officer Lucile Gardner legt ihre Hände auf den Schenkeln aneinander. «Sie hatte ihn bei sich», fängt sie an. «Aber nicht so, wie du denkst.»
    Trotz allem macht mein Herz einen Sprung. «Was meinen Sie damit, nicht so, wie ich denke?»
    «Als wir ihre Leiche fanden, war mit Lippenstift ein Wort auf ihren Körper geschrieben.» Sie seufzt schwer. «Diese Einzelheit haben wir nie an die Öffentlichkeit gegeben. Deshalb war ich so erschrocken von dem, was du gesagt hast.»
    Die Härchen auf meinen Armen stellen sich auf. Und ganz undeutlich erhebt sich Sapphires Geist.
    «Welches Wort?», frage ich. Meine Stimme klingt blechern, wie von ganz weit weg.
    Officer Lucile Gardners apfelweinsüße Stimme dringt zu mir, sie räuspert sich: «Schlampe.» Sie senkt kurz den Blick, hebt ihn dann wieder und schaut mich prüfend an. «Weißt du irgendetwas über die Menschen in Sapphires Leben … irgendetwas, das geschehen sein kann … irgendwelche Feinde, die sie vielleicht gehabt hat?»
    Sapphire flackert auf, gleitet von meiner Haut, zuckt wie Zitteraale zu meinen Füßen, die sich über den ganzen Teppich verteilen und alles mit ihrem plötzlichen Schlag treffen.
    Ich muss an Flynt denken: Wie leicht er sich Zutritt zu ihrem Haus verschaffen konnte, wie genau er wusste, wo alles war – die Zeichnung, die er gemacht hatte – ihren halbnackten Körper, die Schattierungen ihrer Brüste und Rippen – dass er gelogen hat. Ich denke an all das; an die Tagebücher, an Bird und daran, was Sapphire über seine Gewaltausbrüche geschrieben hat.
    Aber ich kann einfach nicht. Ein Teil von mir will es nicht aussprechen. Sobald ich das tue, wird es Realität. Und trotz allem will ich immer noch nicht, dass es wahr ist. «Ich … ich weiß es wirklich nicht», sage ich. Ich denke an

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