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Schmetterlingsschatten

Schmetterlingsschatten

Titel: Schmetterlingsschatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronika Bicker
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Mutter dieses Mal herausgefunden hatte.
    »Warst du in meinem Zimmer?«
    Für einen Moment war Elena wirklich verwirrt, dann erinnerte sie sich an Lauras Tagebuch, das ihre Mutter versteckt gehabt hatte. Sie wollte schon den Kopf schütteln – sollte ihre Mutter doch denken, was sie wollte –, doch dann entschloss sie sich für die Wahrheit. Zwischen ihr und ihrer Mutter gab es ohnehin viel zu viele Lügen.
    »Ja, war ich.« Sie zögerte einen Moment, als sie den erschrockenen Gesichtsausdruck ihrer Mutter sah, aber dann sprach sie rasch weiter. »Warum hast du das Tagebuch versteckt, Mama?«
    Ihre Mutter schüttelte nur stumm den Kopf und sah sie verzweifelt an. Elena spürte, wie sie wütend wurde.
    »Warum hast du mir nichts davon gesagt? Wusstest du, was Laura tut?«
    Ihre Mutter nickte langsam. Ihr Gesicht war so ausdruckslos, dass es Elena Angst machte. Nur ihre Augen waren ganz groß, dunkel und traurig.
    »Aber warum hast du mir nie was davon erzählt? Laura war meine Schwester, ich habe ein Recht darauf zu erfahren, was mit ihr passiert ist.« Schon wieder liefen Tränen über ihre Wangen. Sie fühlte sich so enttäuscht, so verraten von allen, die ihr wichtig waren.
    »Ich hab ihr gesagt, sie soll aufhören, aber sie wollte nicht gehorchen. Sie hatte solche Angst.« Ihre Mutter schien überhaupt nicht zu registrieren, dass Elena mit ihr gesprochen hatte, sie starrte abwesend an ihr vorbei.
    » Mama!« Elena schrie jetzt. Ihre Mutter zuckte zusammen und sah sie zum ersten Mal wieder an, seit sie ins Zimmer gekommen war. »Warum hast du es mir nicht gesagt?«
    »Ich wollte nicht, dass du schlecht von ihr denkst. Sie war doch deine Schwester. Und die anderen Leute … Ich dachte, du bist so sicherer.«
    Elena sah sie fassungslos an. Meinte sie das ernst? Oder war sie jetzt völlig durchgedreht? Warum sollte Elena sicherer sein, wenn sie nicht wusste, was mit Laura passiert war? Und was sollte das mit den anderen Leuten? Dann wurde ihr bewusst, dass ihre Mutter vielleicht gar nicht wusste, dass es sich bei Lauras Aktionen um Recherche gehandelt hatte. Sie musste denken, ihre Tochter sei eine Verbrecherin. Aber warum um Himmels willen hatte sie sie nie darauf angesprochen?
    Elena suchte nach einer Erwiderung, aber ihr fehlten einfach die Worte. »Hättest du Laura nicht beschützen können?«, fragte sie schließlich. Ihre Stimme bebte vor unterdrücktem Zorn.
    »Ich wusste doch nicht genau, was sie tat.« Ihre Mutter klang jetzt schrecklich weinerlich. Elenas Wut wurde noch stärker. Wie ein kalter Klumpen lag sie in ihrem Bauch.
    »Dann hättest du mit ihr reden sollen. Aber das tust du ja nie, du kümmerst dich immer nur um dich. Wir sind nur da, damit du nicht so alleine bist.« Sie schrie jetzt. Tränen rannen ihr über die Wangen, aber das kümmerte sie nicht. Es kümmerte sie auch nicht, dass sie ungerecht war. Als wäre ein unsichtbarer Damm gebrochen, strömte all die Wut und die Enttäuschung aus Elena hinaus. »Wenn du besser aufgepasst hättest, dann wäre Laura noch bei uns!«
    Ihre Mutter stieß ein seltsames kleines Geräusch aus, etwas zwischen Wimmern und Schluchzen. Auch sie weinte jetzt, aber sie sagte immer noch nichts. Sie starrte Elena aus weit aufgerissenen Augen verzweifelt an.
    »Sag doch was!«, fauchte Elena.
    »Aber ich kann doch nichts dafür. Sie hat nicht mit mir geredet. Ich weiß nicht, was sie gemacht hat. Ich weiß nicht, was passiert ist. Es war ein Unfall…« Sie sprach so leise, dass Elena sie kaum verstehen konnte. »Alle haben gesagt, es war nur ein Unfall.«
    Ihr wurde bewusst, dass dies etwas war, das ihrer Mutter schon sehr lange im Kopf herumgehen musste. Etwas, was sie sich selbst immer wieder gesagt hatte. Etwas, von dem sie sich selbst überzeugen wollte. Wenn Lauras Tod nur ein Unfall gewesen war, dann brauchte sie sich nicht dem zu stellen, was »die Leute« sagen würden.
    Plötzlich spürte Elena, wie alle Wut und Angst sie verließen und nur noch ein Gefühl der Leere in ihr zurückblieb. Auf einmal war sie ganz ruhig.
    »Wenn dich wirklich interessiert, was Laura getan hat, dann kannst du es ja nachlesen.« Sie deutete auf den Computer. »Ich jedenfalls gehe jetzt.«
    Ihre Mutter sah sie nur weiterhin angstvoll an und sagte überhaupt nichts. Elena konnte den Anblick nicht mehr ertragen. Sie stand auf, durchquerte das Zimmer, schob sich an ihrer Mutter vorbei und lief die Treppe hinunter. Ohne sich noch einmal umzusehen, trat sie in das helle

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