Schmetterlingsschatten
oder an ihren Zorn, nur noch an ein paar Schluck Wasser, einen frischen Schlafanzug und ihr weiches Bett. Erschöpft machte sie sich auf den Weg.
Das Haus war dunkel und still, als Elena ankam. Immer noch etwas schwach auf den Beinen, stieg sie die Stufen hoch und schob den Schlüssel ins Schloss.
Sie ging in die Küche. Dort drehte sie den Wasserhahn auf und trank dankbar in tiefen, langen Schlucken direkt daraus. Es tat gut, auch wenn sie den schalen Geschmack in ihrem Mund nicht ganz fortspülen konnte. Schließlich hielt sie den Kopf unter den prasselnden Wasserstrahl. Die Kälte war zunächst ein echter Schock und ihre Kopfhaut schmerzte, aber dann ließ das dumpfe Gefühl ein wenig nach. Erst da merkte sie, dass es ungewöhnlich ruhig im Haus war.
Elena warf einen Blick auf die Küchenuhr. Es war kaum neun Uhr, eigentlich sollte ihre Mutter noch wach sein. Wo war sie? In ihrem Zimmer?
Sie drehte das Wasser ab, schüttelte die nassen Haare und stieg dann die Treppe hinauf, zu dem Schlafzimmer ihrer Eltern. Schüchtern klopfte sie. Hatte sich ihre Mutter hier drin verkrochen? Plötzlich tat es Elena leid, einfach so weggelaufen zu sein. Aber sie war selbst so verwirrt gewesen, dass sie nicht gewusst hatte, was sie machen sollte.
Aus dem Schlafzimmer kam keine Antwort. Elena runzelte die Stirn und schob die Tür auf.
Nichts. Das Zimmer war dunkel und leer. Mit einem unguten Gefühl im Bauch wanderte Elena zu ihrem eigenen Zimmer hinüber und sah hinein.
Der Computer lief immer noch, die Datei mit Lauras Artikel war aufgerufen. Zwei Blatt Papier lag neben der Tastatur. Langsam ging Elena näher heran und hob das erste auf. Es war ein Brief, geschrieben auf einem einfachen karierten Blatt Papier in einer schmalen, steilen Handschrift.
Laura ich rate Dir, nichts zu sagen. Du weißt, was sonst passieren kann, wir werden alle im Gefängnis landen und das willst Du doch nicht, oder? Ich hoffe, Du hast nicht vor, zu petzen und Dich dann irgendwie herauszureden. Denn wenn Du das tust, werden wir schon dafür sorgen, dass Du nicht ungeschoren davonkommst. Dass Du nicht mehr in der Clique sein willst, ist eine Sache, aber dass Du uns verrätst, eine andere. Du kannst nur froh sein, dass Malin bisher nichts von deinen Plänen mitbekommen hat, sonst wäre sie längst einmal bei Dir vorbeigekommen. Du weißt, wie sie ist… Es ist für uns alle besser, wenn wir Gras über die Sache wachsen lassen, auch für Dich und Deine Familie. Also sei bitte vernünftig!
Tristan
Fassungslos starrte Elena auf das Papier herab. Der Drohbrief. Woher war er gekommen? Hatte ihre Mutter ihn die ganze Zeit gehabt? Es musste so sein. Automatisch griff sie nach dem zweiten Papier. Dieser Brief war mit dem Computer getippt und ausgedruckt worden und sah fast schon offiziell aus.
Wir haben Laura nichts angetan, ganz gleich, was Sie behaupten. Es war ein Unfall, dabei soll es bleiben. Aber wenn Sie zur Polizei gehen, werden wir denen all das erzählen, was Laura so gemacht hat. Glauben Sie mir, dabei werden Sie schlechter abschneiden als wir, schließlich waren es nicht wir, die den Tod des Mädchens verschuldet haben. Aber wenn Sie nicht schweigen, kann ich nicht für Elenas Sicherheit garantieren.
Tristan Sieber
Elenas Herz schlug schneller. Ihre Mutter hatte offensichtlich etwas unternommen nach Lauras Tod. Sie hatte sich mit Tristan in Verbindung gesetzt. Und der hatte ihr gedroht. Das erklärte auch, warum sie nicht zur Polizei gegangen war, sie hatte Angst gehabt, dass Elena etwas zustoßen könnte. Angst vor Tristan.
Tristan.
Die Erkenntnis sickerte langsam in Elenas Bewusstsein. Er war es gewesen, von Anfang an. Obwohl sie schon so etwas befürchtet hatte, traf sie diese Erkenntnis doch wie ein Schlag ins Gesicht.
Er wollte überhaupt nichts von mir. Es war alles gelogen.Ihre Augen brannten, aber sie unterdrückte die Tränen. Es kam ihr lächerlich vor zu weinen, wenn sie es doch schon geahnt hatte. Auf einmal passte alles zusammen.
Wie oft hat er mich gebeten, mit mir nach Hause kommen zu dürfen. Er wollte sicherstellen, dass ich nichts weiß. Wahrscheinlich hat er sich furchtbar erschrocken, als die Leiche gefunden wurde. Vielleicht hatte er damit gerechnet, dass der Unfall nie ans Licht kommen würde.
Tränen liefen über ihr Gesicht. Sie kam sich so betrogen vor, so ausgenutzt. Beinahe schämte sie sich dafür, wie einfach es Tristan gefallen war, sie hinters Licht zu führen.
Ärgerlich wischte sie die Tränen weg und
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