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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Zweifel hast? Damit er nicht später das Gefühl hat, irregeführt worden zu sein? Daß er Dinge getan hat, die er vielleicht unterlassen hätte, wenn er Bescheid gewußt hätte? Zum Beispiel, den Job bei Mike zu kündigen und inden Betrieb mit der Marina einzusteigen oder mit dir zusammenzuziehen? Übrigens, das wollte ich noch fragen: Plant ihr das eigentlich?
    Dann war da ja auch noch die Kleinigkeit, die vielleicht gar keine Kleinigkeit war, die Sache mit der Reise zu den Seefahrern nach Nova Scotia. Er beschloß, das Thema gar nicht erst anzuschneiden.
    Ach Scheiße, Schmidtie, hör auf damit. Ein Baby ist ein Baby. Jason weiß das von dir und mir. Er liebt mich. Also, was soll sein. Wenn das Kind nicht von ihm ist, dann ist es meins. Und er ist der Stiefvater.
    Die Sache so zu sehen, fand Schmidt unerträglich, aber er sagte kein Wort. Schließlich würde er kaum die Vormundschaft beantragen wollen.
    Jason reicht’s sowieso mit dem Job als Chef von Mikes Personenschutz, fuhr sie fort. Wir wollen die Marina. Komm schon, Schmidtie, bleib locker. Und hör mal, können wir in deinem Poolhouse wohnen, wenn wir von Jasons Leuten zurückkommen? Vielleicht so lange, wie wir eine Wohnung in der Nähe von Three Mile Harbor suchen?
    Er lächelte zustimmend.
    Oh Schmidtie, das muß ich ihm gleich erzählen, ich kann’s gar nicht abwarten. Kann ich ihn mit dem Autotelefon anrufen, wenn wir losfahren?
    Zu Hause war eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter. Mr. Mansours Bernice wollte wissen, ob Schmidt am nächsten Morgen um elf Uhr auf einen Kaffee in das Strandhaus kommen könne. Mr. Mansour bedaure es, daß er Mr. Schmidt nicht bitten könne, zum Mittagessen zu bleiben. Er werde in die Stadt zurückfliegen. Ein Rückruf zur Bestätigung sei auch spät noch willkommen. Sie oder Vicky seien im Büro. Mr. Mansour ausgerechnetjetzt zu besuchen, mit oder ohne Kaffee, stand nicht auf Schmidts Wunschliste. Er wollte Bernice oder Vicky, derjenigen eben, die den Anruf entgegennahm, schon sagen, daß er den ganzen restlichen Tag heute beschäftigt sei (er war Mr. Mansours Hang zur Beharrlichkeit und seine Neigung zu nächtlichen Anrufen leid) und am nächsten Morgen ebenfalls keine Zeit habe – aber das Bewußtsein einer neuen Realität hinderte ihn daran. Mike Mansour war nicht mehr nur der exzentrische Milliardär, mit dem er Zeit vertat, wenn ihm danach zumute war, sondern dieser Mann war sein zukünftiger Arbeitgeber und konnte ihn deshalb zu sich zitieren. Er rief an und sagte, Mr. Mansour könne auf ihn zählen.
    Der Tag war klar und kalt. Er fuhr zum Hauptstrand, ließ sein Auto auf dem Parkplatz stehen und ging in westlicher Richtung den Strand entlang, der dicht am Wasser so glatt und hart war wie der Bürgersteig der Fifth Avenue, wo Mary und er gewohnt hatten. In ihrem Apartmentgebäude hatte es einen Fahrstuhlführer gegeben, einen untersetzten Mann mit slawisch klingendem Akzent, kahlem Kopf, hervorquellenden, freundlichen Augen und einem zahnlosen Mund, aus dem ihm beim Reden der Speichel floß – kurz, ein Mann, der nach einer Berufslaufbahn als Aufseher oder als Insasse in Treblinka oder Auschwitz unter einem angenommenen Namen in die Vereinigten Staaten ausgewandert sein konnte; dieser Mann hatte immer auf besonders gewinnende Art reagiert, wenn ihm Fahrstuhlgäste dankten, daß er sie sicher zum zehnten Stock gebracht und abgesetzt hätte: Das ist meine Aufgabe, es war mir ein Vergnügen und vielen Dank mein Herr – oder vielen Dank, meine Dame, je nachdem. Oh, alle hatten sich über ihn lustig gemacht, und alle hatten ihn geliebt, Mary, Charlotte und Schmidt, und nie vergessen, ihm Weihnachten zusätzlich zu dem Bargeld, das er sich mitdem übrigen Personal teilte, ein kleines Geschenk zu geben, ein Halstuch oder wollene Handschuhe. Eines Tages stand ein pickeliger Ersatzmann in der Kabine, an dessen Geruch man sich erst gewöhnen mußte. Wo ist John? Heute hat er doch Dienst. Ah, John ist tot. Es gab keine Hinterbliebenen, denen man Beileid ausdrücken oder etwas Geld anbieten konnte. Eine orthodoxe Kirche irgendwo in Queens kümmerte sich um die Aussegnung. Der Mann war ein Muster von einem Angestellten gewesen, ein Vorbild, dem Schmidt nacheifern und nachsinnen konnte.
    Mr. Mansour thronte auf einem Eames-Stuhl in seinem Arbeitszimmer, Telefone auf einem Seitentisch in Reichweite seiner Rechten, und ging zum Geschäftlichen über, nachdem Manuel den Kaffee samt würfelförmig geschnittenen

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