Schmidts Bewährung
abrutschen. Was würdest du machen?
In dein Haus ziehen, Dummy.
Und wenn mein Haus zusammenbricht?
Hey, was hast du nur? Ich breche zusammen, nicht dein Haus. Wollen wir eigentlich noch bis Montauk laufen?
Sie waren an der Mole angekommen, die ins Meer hineingebaut worden war, bevor Schmidt diesen Strand zumerstenmal gesehen hatte. Sie bestand aus ebenso riesigen Quadern wie Mr. Jacksons Damm; die Stürme hatten sie stehenlassen, vielleicht weil sie nutzlos waren. So wenig Lohn für so viel Mühe. Er legte den Arm um Carries Taille, war plötzlich auch sehr müde und flüsterte: Komm, wir gehen nach Hause. Schwimmen können wir ein andermal. Und weil Veränderungen angeblich Kummer und Sorgen fernhalten sollen, fügte er hinzu: Ich möchte dich zum Essen einladen.
Sie bestellt sich Shrimps mit scharfer Sauce, Pfeffersteak und Himbeertorte. Schmidt sieht ihr gern beim Essen zu. Woher hat sie nur dieses selbstverständliche, ganz natürliche gute Benehmen, diese vollkommene Eleganz? Den Schlemmern bei O’Henry’s abgeschaut? Unwahrscheinlich. Abgesehen von ein paar komischen Käuzen – zu denen er sich zählt – sind die Leute dort ziemlich widerlich und können sich überhaupt nicht benehmen. Vielleicht hat sie alte Filme über altes Geld im Schnellkurs studiert, unter besonderer Berücksichtigung der beiden Hepburns, Katherine und Audrey, Leslie Carons und Ingrid Bergmans. Oder ist ihre Anmut eine Gottesgabe, so wie das absolute Gehör oder das Ballgefühl eines Jungen aus den Slums? Ihr unglaublich gesunder Appetit ist auch so ein Geschenk der Natur: Sie hat keinen Ernährungswahn und keine Angst vor zu vielen Kalorien. Die werden schnell verbrannt, unter anderem beim Liebemachen. Schmidt lehnt sich zurück. Den Augenblick genießen. Er wünscht sich, er könnte hier rauchen, aber obwohl es schon spät ist und das Restaurant sich geleert hat, würden die alten Glucken am Tisch dort drüben ihm ins Gesicht springen. Ein Kognak? Carrie könnte einen Schluck aus seinem Glas nehmen. Als Charlotte noch im College war, ja, schon damals lag Streit in der Luft, wenn er sie zum Essen in einRestaurant einlud, nach Boston zum Beispiel, allein oder mit ihren Freundinnen. Mußte sie sich wirklich feinmachen? War sie denn auch um zehn Uhr wieder im Studentenheim, so daß sie die Hausarbeit für den nächsten Tag noch fertigschreiben konnte, und warum mußte er noch einen dritten Kaffee bestellen, obwohl sonst niemand einen wollte? Alles ohne Bedeutung und leicht auszuräumen, wenn er nur den Mund gehalten oder wenigstens weiter gelächelt hätte. Warum konnte er es nie dabei belassen? Schließlich ging es bei diesen Streitereien nie um wirklich Prinzipielles, sondern immer nur um ihre Weigerung, freundlich zu sein. Konnte er im Ernst behaupten, er sei immer ausgeglichen und gelassen gewesen? Er hätte sich gefreut, wenn sie kokett und verspielt mit ihm umgegangen wäre, wie manche Töchter in den alten Filmen, die er sich angesehen hatte, wie Carrie eben, nur ohne Sex. Ab und zu gelang es ihr, und dann waren sie auf einmal dicke Freunde. Meistens erweckte sie allerdings in ihm den Eindruck, daß er ihr auf die Nerven fiel. Und ging es ihm mit ihr in Wahrheit nicht genauso?
In diesem Augenblick meldete sich das puertoricanische Küken: Schmidtie, möchtest du, daß ich am Freitag koche, oder willst du mit Charlotte hier essen oder im Automat?
»Hier«, das war das Hotel in Sag Harbor mit einem Weinkeller, auf den Schmidt neidisch war, und einer Auswahl erstklassiger Zigarren, die er zu gern an Ort und Stelle geraucht hätte. Die Pest über die Tabak-Abolitionisten! Können diese verschrobenen Spinner nicht zu Hause bleiben oder Gasmasken aufsetzen, wenn sie ausgehen? Zweihundert Jahre lang hatte Zigarrenrauch zum Ende einer Mahlzeit gehört. Wo hatten sie gelernt, daß er den Geschmack des Essens verdarb? Der Automat war auch nicht das Gelbe vom Ei, seine Spezialitäten waren halbgarer Thunfisch, außen schwarz verbrannt, innenunter der Pfefferkruste halb roh und außerdem lauwarm – Schmidts bête noire, er war der festen Überzeugung, daß Thunfisch entweder roh oder aus der Dose gegessen werden müsse –, Shitaki-Pilze auf Spinatblättern und fünfzehn Sorten Mineralwasser. Die Stammkundschaft fett oder magersüchtig: ein lebender Beweis dafür, daß alles an den Genen liegt. Wenn dein Metabolismus nicht stimmt, kannst du’s aufgeben. Spar dir die Mühe, ruiniere dir nicht weiter die Knie, indem du mit deinen
Weitere Kostenlose Bücher