Schmidts Bewährung
schattenbrauner Haut abzeichneten, tiefblaues Steppenblut, gemischt mit einem PuertoRico-Cocktail, flösse. Weniger phantastisch, aber ansprechend war die Vorstellung, Carrie sei ein Pflege- oder gar ein Findelkind, dessen angeborener Anmut dieses Paar liebevoll zur Blüte verholfen habe. Die Lehrmeinungen zur relativen Bedeutung von Milieu und Genen befanden sich ohnehin wieder einmal im Wandel; schon der Begriff Milieu war strittig. Carries Fall schrie geradezu nach einer wissenschaftlichen Untersuchung, so schien es Schmidt jedenfalls. Seine persönlichen Nachforschungen hatten nicht sehr weit geführt. Dann und wann legte er nahe, mal in versteckten Andeutungen, mal ganz ausdrücklich, es sei nun wirklich an der Zeit, ihn den Eltern vorzustellen, und er sei gern bereit, sie in ihrem Haus zu besuchen (die Redewendung benutzte er aus Gewohnheit, obwohl ihm klar war, daß »Haus« in diesem Fall eine Wohnung in einem Mietshaus ohne Fahrstuhl sein mochte) oder zu sich einzuladen – bei der Aussicht, sie könnten ihn besuchen, war ihm allerdings nicht wohl –, aber Carrie ließ nicht mit sich reden, sie sagte nur vage: Jesses, Schmidtie, die sind ganz gut dran; das klang in seinen Ohren wie: Laß es. Na gut. Es war ihre Sache. Seiner Vermutung nach hatte sie Mr. und Mrs. Gorchuck zwar gesagt, daß sie mit einem Mann in den Hamptons lebe und nicht mehr für O’Henry’s arbeite, aber es war nicht unbedingt anzunehmen, daß sie erzählt hatte, er sei reich und älter als ihr eigener Vater. Das mußte als einfache Erklärung für ihre Weigerung genügen. Erkonnte nicht glauben, daß sie, seine mutige, leidenschaftliche Carrie, sich ihrer Eltern schämte. Aber er wußte nicht viel, nicht einmal, wie alt der Vater, und auch nicht, ob er Rentner war. Rentner! Natürlich, was sonst? Die städtischen Angestellten in New York City konnten sich praktisch mit dem Tag ihrer Einstellung schon bei voller Bezahlung pensionieren lassen. Dieses Thema schnitt man in Unterhaltungen mit Schmidt besser nicht an, sonst bekam man allerhand zu hören.
Süße, ich habe dir doch gesagt, bei Charlotte weiß man nie. Ich habe so lange nicht mehr mit ihr gegessen, daß ich keine Ahnung habe, was zur Zeit auf ihrer Liste des Erlaubten steht. Früher waren Fisch und Pasta bei ihr hoch im Kurs. Keine Sorge. Ich esse alles auf, was sie übrigläßt.
Quatsch, Schmidtie, das brauchst du nicht. Ich bin schon groß. Das stehe ich durch.
Er zog sie an sich, legte die Hand auf ihre Brüste, wartete, bis die Spitzen hart wurden, und umschloß sie fest mit den Fingern. Himmelherrgott. Die Regung einer Erektion. Er rieb sich an Carries Hüfte.
Später, Schmidtie. Laß den kleinen Freund in der Hose bis heute nacht, wenn wir im Bett sind. Hey, ich muß die Mousse in den Kühlschrank stellen. Die Pasta nicht, die lasse ich hier draußen abkühlen; dann wärme ich sie ganz langsam auf, und du kannst jederzeit essen, wann du willst. Oder soll sie Raumtemperatur haben? Mom findet das gut, wenn sie für eine Party kocht, oder so.
Als Schmidt abends dann an der Bushaltestelle auf Charlotte wartete, versuchte er, nur an diese Unterhaltung zu denken und an den gedeckten Tisch – Carrie hatte sich für die Küche entschieden, weil man dort so gemütlich zu dritt sitzen könne. Neben ihm lauerten Taxifahrer, vorbestelltoder in der Hoffnung auf einen Fahrgast, den keiner abholte, außerdem standen da ein Mann mit haarigen Beinen in kurzen Hosen und schmuddeligen Turnschuhen, zwei übergewichtige Sekretärinnen mit schrillen New Yorker Stimmen und toupierten Frisuren sowie die üblichen Sommerhausmieter ohne besondere Merkmale, die er lieber nicht genauer betrachten wollte. Der Mut verließ ihn. Er hatte nicht mit Charlotte verabredet, daß sie anrufen solle, sobald sie angekommen sei, damit er nicht an der Haltestelle auf den Bus warten müsse. So war es unter den Ortsansässigen üblich, weil nie vorherzusehen war, ob der Bus pünktlich kam – alle hielten es so, ausgenommen vielleicht die ganz besonders heftig Verliebten und die, die ein Kind abholen mußten oder einen Fahrgast, der aus Schwäche nicht telefonieren und nicht auf seinen Abholer warten konnte. Aber da Charlotte diesen Brauch vermutlich vergessen hatte, würde sie ihm übelnehmen, daß er nicht bereitstand, die heimkehrende verlorene Tochter willkommen zu heißen. Das Risiko wollte er nicht eingehen.
In diesem Moment kam ein Bus aus New York an, und bei seinem Anblick geriet Schmidt in heftige
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