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Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
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Mann schrieb: Er malte riesige, in gewaltigen Schnörkeln ausufernde Anfangsbuchstaben und kritzelte dann in einer so winzigen Schrift weiter, daß Schmidt ohne Brille nichts mehr erkennen konnte. Aber wenigstens gehörte Bogard nicht zu jener unerträglichen Sorte von Gartenarbeitern, die nicht bereit sind, zu notieren, was der Kunde wünscht, sondern steif und fest behaupten, sie würden es im Kopf behalten. In seinem gesamten Berufsleben hatte Schmidt nicht geduldet, daß ein junger Anwalt ohne Notizblock und Stift zu ihm ins Büro kam. Warum hätte er sich die Mühe machen sollen, ein Problem zu erklärenoder Anweisungen zu geben, wenn alles, was er sagte, fünf Minuten später schon wieder vergessen oder verzerrt war? Oder diese andere Unsitte: nicht mitzuschreiben, was auf einer Arbeitssitzung besprochen wurde. Träge Hände, träge Hände.
    Die Speisenfolge war: Fischlasagne, gefolgt von grünem Salat und einer Himbeermousse. Für ihn hielt Carrie eine Kostprobe Lasagne auf einem kleinen Teller bereit.
    Hier, probier mal. Aber paß auf, es ist sehr heiß.
    Carrie, es schmeckt wunderbar. Wenn du das selbst gemacht hast, bist du eine phantastische Köchin. Wie bist du auf die Idee gekommen?
    Die Lasagne schmeckten wirklich ausgezeichnet, ganz leicht nach Muskat. Das Schnellverfahren in der Küche, das er beobachtet hatte, wenn Carrie Hamburger oder Lammkoteletts im Herd grillte – mehr erlaubte er ihr nicht, und auch dies nur selten, denn er mißtraute ihren Kochkünsten und verließ sich lieber auf die erprobte, zuverlässige Qualität seines eigenen begrenzten Repertoires –, hatte in keiner Weise zu Tage gebracht, daß sie eine mit allen Wassern gewaschene Köchin war.
    Überraschung! Willst du die Mousse probieren?
    Auch davon hatte sie ihm eine kleine Portion bereitgestellt, die er nun kostete.
    Phantastisch! Warum hast du uns nicht jeden Abend so etwas gezaubert? Wie kommt’s, daß du so kochen kannst?
    Mrs. Gorchuck. Meine Mama.
    Und woher hat sie’s?
    Habe ich dir das nicht erzählt, Schmidtie? Bis sie mit der Arbeit aufgehört hat, war sie doch Köchin in einem italienischen Lokal an der Atlantic Avenue. Mann, kann die kochen, einfach alles.
    Aber warum hast du dein Licht so unter den Scheffel gestellt?
    Du Spinner, für dich habe ich nicht gekocht, weil du immer mit deiner Schürze hier stehst und für mich kochst. Und dazu noch den Abwasch machst. Der Deal ist doch gut. Warum soll ich mich da einmischen?
    Okay, damit ist es jetzt aber vorbei. Machen wir einen neuen Deal: Ich wasche weiter ab, und du sorgst für alles andere. Ins Restaurant gehen wir nie mehr.
    Ich lasse es lieber beim alten: ob ihr das schmeckt? Was meinst du, Schmidtie? Du kannst ihr ja sagen, das Essen wäre vom Partyservice. Wenn sie weiß, daß die dämliche puertoricanische Kellnerin gekocht hat, denkt sie nur, daß es gar nicht gut sein kann. Dann meint sie noch, ich hab hier überall die Hand drauf. Und flippt aus.
    Nein, aus alten Filmen hatte Carrie ihr gutes Benehmen nicht gelernt. Von Mrs. Gorchuck hatte sie es; auch die Rezepte und Kniffe, die sogar ein Brillat-Savarin bemerkenswert gefunden hätte, hatte ihr die Mutter gezeigt, wenn sie nicht in der Küche des Lokals stehen mußte, das an einer Straßenecke irgendwo in den sagenumwobenen, einst überwiegend von Juden bewohnten Slums der Latinos und Schwarzen lag, die sich endlos hinziehen, hinter Brooklyn Heights, dem einzigen Teil von Carries alter Heimat, den Schmidt je gesehen hatte. Oder vielleicht hatte sie die Tochter noch spätabends unterrichtet, nach der Rückfahrt mit der graffittiverschmierten U-Bahn, obwohl sie todmüde war von der Hitze des Küchenherdes, die ihr die Arme bis zum Ellbogen verbrannt hatte. Und nicht nur Kochkünste hatte Carrie von der Mutter gelernt, sondern auch die natürliche Bescheidenheit und den Takt einer Prinzessin, diesen Herzenstakt, der viel mehr wert ist als jeder Anstandsunterricht, falls man so etwas überhaupt unterrichten kann. Oder war für diesen Teil der beachtlichen Erziehungsarbeit an der einzigen Tochter Mr. Gorchuck zuständig, der pensionierte Angestellte derSchulbehörde, dessen früherer Arbeitsbereich im dunkeln blieb? Gelegentlich, wenn sein idiosynkratischer Humor sich zu Höhenflügen aufschwang, hatte Schmidtie sich ausgemalt, daß Mr. Gorchuck von Moskowiterfürsten und zaristischen Generälen abstamme und sich einer Mesalliance schuldig gemacht habe, so daß in den Adern, die sich zart unter Carries

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