Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmidts Bewährung

Schmidts Bewährung

Titel: Schmidts Bewährung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Louis Begley
Vom Netzwerk:
Freuden aufnehmen, aber wenn es dir wirklich nichts ausmacht, wünschte ich mir, daß du bleibst. Mir Gesellschaft leistest, aufpaßt, daß ich nicht alles verderbe. Sie ist ein großes Mädchen, sie sollte sich allmählich an dich gewöhnen.
    Ja, und auch an den Mist, den Jon Riker gebaut hatte. Besser nicht daran denken. Augen abwenden, Nase zuhalten und liegen lassen. Gott sei Dank hat noch keiner dich um deine Meinung oder Hilfe gebeten, aber das kann ja noch kommen. Charlotte wird alles wissen. Wenn es nur darum ginge, daß Jon eine Affäre hat, dann wäre Schmidt in Versuchung, ihr zu raten, sie solle die Sache einfach nicht ernst nehmen. Ungefähr so: Charlotte, Jon ist ein Idiot, ein Fachidiot mit viel Verstand für Juristisches, damit hat sich’s. Es ist nicht das allererste Mal auf der Welt, daß so ein Bursche sich mit einer attraktiven Anwältin vergnügt, nachdem sie Hunderte von Stunden Tag und Nacht zusammen an einem Vertragsabschluß gearbeitet haben. – Aber war es denn so? Fühlten diese Frau und Riker sich unwiderstehlich zueinander hingezogen, oder war er ständig in fremden Betten und unfähig zur Diskretion? Zuckten postfeministische junge Frauen wie Charlotte nur dieAchseln über die Seitensprünge des Ehemannes? Ein moralisch unterbelichteter Idiot, der den Ast abgesägt hat, auf dem er saß, und womöglich auch der Kanzlei Schaden zugefügt hat. Unverzeihlich! Was folgte daraus für eine Ehe, an der man in guten und in schlechten Tagen festhalten wollte? Ob dieses altmodische Versprechen überhaupt Teil der bizarren jüdischen Zeremonie gewesen war, die Charlotte und Jon sich ausgesucht hatten, wußte Schmidt nicht so genau; er war zwar dabeigewesen, hatte aber, benommen von Schmerztabletten, die Braut, den Bräutigam und dessen Eltern nur wie aus weiter Ferne wahrgenommen. Tabletten gegen welchen Schmerz? Den, der ihm noch vom Unfall geblieben war, oder den wütenden Grimm über diese Heiratsprozedur?
    Es heißt, das Wahrnehmungsvermögen in den Seelen der zur Hölle verdammten Sünder werde erst beim Jüngsten Gericht völlig ausgelöscht; vorher sehen sie die Gestalt der fernen Zukunft noch verschwommen im Dämmerlicht. Danach wird nichts mehr zu erkennen sein. Deshalb ist die Hölle voller Gerüchte, und die Schatten suchen mit quälendem Eifer, den Neuzugängen neue Nachrichten zu entlocken. Genauso geht es den Eltern erwachsener Söhne und Töchter: Das Leben der Kinder wird undurchsichtig, unzugänglich für die Eltern, und sie haschen nach jedem Hinweis, mühen sich verzweifelt, etwas zu verstehen, und vergessen, daß sie das nicht können. Ein ungewohntes Krächzen lag in der Stimme von Jack DeForrest, der schon mit Schmidt an derselben Universität Jura studiert hatte, einst sein Sozius und bester Freund, jetzt im letzten Amtsjahr als Präsident der Kanzlei Wood & King – sein Ton ließ auf eine wachsende, gerade noch beherrschte Wut schließen. Schmidt hatte den großen Herrn angerufen, weil er hoffte, er könne ganz unverfänglich fragen, wie es in der Kanzlei gehe, um auf dieseWeise alles, was womöglich mit dem Streit zwischen Charlotte und Jon Riker zu tun hatte, ganz natürlich und spontan an die Oberfläche kommen zu lassen. Freilich, die Chancen, etwas Hilfreiches zu erfahren, wenn er bei W&K auf den Busch klopfte, waren gering. Gleichzeitig stand er unter dem Zwang der alten Gewohnheit, nichts unversucht zu lassen, wenn es um das Wohlergehen eines Mandanten ging, also konnte er nicht untätig bleiben, konnte nicht bis Samstag warten und hoffen, daß Charlotte dann endlich mit der Sprache herausrückte – am Freitagabend würde sie kaum gesprächsbereit sein, und wenn er es noch so sehr darauf anlegte. Nicht gleich nach der Busfahrt aus der Stadt, nicht bevor er ihr Gelegenheit gegeben hatte, kurz ins Schwimmbecken zu springen, auch dann nicht, wenn sie bei einem späten Abendessen mit Carrie am Tisch saßen.
    Einen sauberen Schwiegersohn hast du dir angelacht, Schmidtie, orgelte der Potentat. Herzlichen Glückwunsch! Was hast du noch gesagt, als die Entscheidung anstand, ob wir ihn zum Sozius machen oder nicht? Brillante Intelligenz? Nie ein falscher Zug am Schachbrett? Killerinstinkte? Der letzte Sound Bite hat gesessen – ein Killer ist er, der bringt die gottverdammte Kanzlei um und mich mit! Du weißt ja, wir heben die schriftlichen Gutachten auf, wenn wir einen Kandidaten als Sozius zulassen. Um genau zu sein: Ich hebe sie auf. Chefsache, du weißt schon. Das kann

Weitere Kostenlose Bücher