Schmidts Einsicht
bei ihm tief in der Kreide!
Ich konnte merken, daß Joe sich gefreut hat, fuhr Caroline fort. Er wird gleich kommen. Ja, und ihn beim Dinner neben mir zu plazieren ist auch eine von Mikes freundlichen Gesten. In Joes Familie und bei den Freunden seiner Eltern saßen Eheleute immer zusammen. Er möchte es genauso haben! Dann fühlt er sich wohler.
Aha, sagte Schmidt.
Ach komm, Schmidtie, findest du das nicht rührend? In der Gesellschaft macht man die Sachen so oder so. Ehe du dich versiehst, wird daraus eine Regel, an der niemand mehr rütteln möchte; man schließt sich einfach an. Joe findet es unnötig, sich anzupassen. Wie auch immer, wir werden älter und haben alle mehr und mehr sonderbare Eigenarten. Vielleicht sogar du, Schmidtie!
Sicher, antwortete er.
Aber ich wette, du weißt nicht immer, welche Eigenarten. Das Besondere an Joe ist, daß er es weiß. Er weiß es wirklich! Wahrscheinlich ist er deshalb ein so guter Autor. Übrigens, der neue Roman, an dem er schreibt, ist wunderbar.
Das ist eine gute Nachricht. Wir hatten schon mindestens zwei Jahre lang keinen neuen Canning mehr.
Genaugenommen drei Jahre, korrigierte sie ihn. Er sagt, er genießt es, langsamer zu schreiben. Und sein Eis langsam zu essen. Früher hat er immer versucht, damit fertig zu werden, bevor es schmolz. Jetzt hat er gemerkt, daß es ihm schmeckt, wenn es flüssig ist. Er hat zur Zeit wirklich viel zu tun. Gil und er arbeiten an einem Treatment für die Verfilmung von Joes erstem Roman, der vom Leben seiner Großmutter handelt. Das Thema geht Joe so nahe, daß er sehr empfindlich ist. Ich halte die Daumen.
Schmidt kannte den Plan, Gil hatte ihm davon erzählt, und er hätte sie gern gefragt, ob Joe auf irgend etwas nicht empfindlich reagiere. Aber bevor er den Mund aufmachen konnte, klopfte sie ihm auf die Hand und sagte: Schau, da ist er endlich.
Tatsächlich, Canning kam auf den Tisch zu. Man hätte behaupten können, er schlendere durch den Raum, wenn er nicht beim Gehen den linken Fuß nachgezogen hätte, womöglich, weil er einen leichten Schlaganfall erlitten oder Rückenprobleme hatte, oder aber – und das hielt Schmidt für wahrscheinlicher – weil er seinen Widerwillen, näher zu kommen, demonstrieren wollte. Endlich drückte er einen Kuß auf Carolines Kopf und setzte sich sofort an seinen Platz, ohne Schmidt eines Blickes zu würdigen und ohne dessen ausgestreckte Hand zu beachten. Das paßte zu Joe. Was für ein grotesker Mensch: ein Anwalt, der irgendwas mit dem Management einer Versicherungsgesellschaft zu tun hat, sich zum Schriftstellerummodelt, von einer Frau scheiden läßt, die genauso unangenehm ist wie er, und dann prompt diese wunderbare blonde Frau heiratet, die auch noch eine bekannte und geachtete Biographin ist! Diesen Coup landet er sogar noch vor der Veröffentlichung seines ersten Romans, mit dem er berühmt wird, und er bleibt so widerwärtig wie eh und je! Warum muß er mich jedesmal, wenn wir uns begegnen, auf die eine oder andere Weise vor den Kopf stoßen? Er zog seine Hand zurück.
Joe, sagte Caroline, Schmidtie ist hier, er hat versucht, dich zu begrüßen. Und an seiner anderen Seite sitzt Elaine.
Ja, ja, antwortete Canning verdrossen, sogar in meinem geschwächten Zustand – non sum qualis eram – hi! hi! erkenne ich meinen alten Bekannten aus dem College und von der Law School noch wieder, und auch die Frau meines gelegentlichen Mitarbeiters, der ebenfalls ein Kommilitone war. Ich sehe sie oft genug hier. Sozusagen jedesmal, wenn ich einen Fuß in dieses Haus setze? Heißt das, zweimal pro Tag? Oder gilt Gil jetzt als Freund? Was weiß ich.
Das hätte ein Stichwort für Elaine sein können, beiden Cannings zu versichern, wie sehr Gil und sie ihnen zugetan seien, oder für Schmidt, Canning sein Glas Rotwein ins Gesicht zu schütten, was er liebend gern getan hätte, wenn es möglich gewesen wäre, ohne Caroline zu bespritzen. Aber Elaine nahm das Stichwort nicht auf, und Schmidt ließ sich nicht provozieren, sondern sagte sich nur: Dieser gottverdammte Canning hat Elaine verärgert, eine Leistung, die bisher niemand für möglich gehalten hätte. Aus Mitgefühl mit der höflichen, klugen Caroline richtete er das Wort an Canning: Ich freue mich sehr, Sie zu sehen, Joe. Ich bin gerade aus Europa zurück. Wir sind uns schon eine ganze Weile nicht mehr begegnet.
Das ist doch ganz unwichtig, Schmidtie. Auf solche Trivialitäten achtet man nicht.
Seine Stimme wurde unhörbar, aber er
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