Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schmiede Gottes

Schmiede Gottes

Titel: Schmiede Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
Vom Netzwerk:
Oben auf dem Glacier Point hatten die Leute nichts weiter zu tun, als daran zu denken, was passieren würde – und dabei miserabel zu singen.
    Der Fels unter ihnen verschob sich ein kleines bißchen. Betsy kam von der Toilette, setzte sich fest neben Edward auf die unterste Terrasse und schob ihren Arm unter seinen. Sie waren in der letzten Stunde nicht mehr als ein paar Minuten getrennt gewesen. Trotzdem fühlte er sich allein; und wenn er sie ansah, spürte er, daß sie sich ebenso sehr allein fühlte.
    »Hörst du es?« fragte sie.
    »Das Rumpeln?«
    »Ja.«
    »Ich höre es.«
    Er malte sich aus, wie die Klumpen aus Neutronium und Antineutronium, oder was immer sie waren, im Zentrum zusammentrafen. Vielleicht war dies sogar schon geschehen, vor Minuten oder einer Stunde; und die sich ausdehnende Front tobenden Plasmas hatte gerade eben begonnen, in dem Mantel und der dünnen Kruste der Erde sich bemerkbar zu machen.
    In der Hochschule hatte Edward einmal versucht, eine maßstäbliche Karte der Schichten eines Ausschnitts der Erde zu zeichnen, wobei der innere und der äußere Kern, der Mantel und die Kruste proportional wiedergegeben werden sollten. Schnell hatte er gemerkt, daß die Kruste nicht mehr ausmachte als die feinsten Bleistiftlinien, selbst wenn er für seine Skizze ein zweieinhalb Meter langes Stück Packpapier benutze. Mit Hilfe seines Rechners hatte er herauszufinden gesucht, wie groß die Zeichnung sein müßte, und erfahren, daß der Fußboden des Gymnasiums ausreichen könnte, um die Kruste durch eine Linie von der Dicke seines kleinen Fingers darzustellen.
    Wieder verborgene Räume und Flächen.
    Bedeutungslosigkeit.
    Die Geologen hatten es immer mit Bedeutungslosigkeit zu tun, aber wie viele wandten das direkt auf ihr persönliches Leben an?
    »… halte miiiich… Laß miiiich in diiir geborgen…«
    »Die Luft wird wärmer«, sagte Minelli. Der Oberrand seines schwarzen T-Shirts war durchfeuchtet, und sein Haar hing in dunklen Strähnen herunter. Inez saß auf der oberen Terrasse etwas weiter zurück und seufzte leise vor sich hin.
    »Geh zu ihr!« befahl Edward und nickte in ihre Richtung.
    Minelli schaute ihn hilflos an und stieg dann die Stufen empor.
    »Alles, worauf es ankommt, sind die Menschen«, sagte er leise zu Betsy. »Alles andere ist unwichtig. Im Anfang ebenso wie beim Ende.«
    »Schau!« sagte Betsy und zeigte nach Osten. Wolken rasten über den Himmel, nicht zusammengeballt, sondern einfach in Bändern in sehr großer Höhe. Die Luft roch elektrisch und war bedrückend, fühlbar, dick und heiß. Die Sonne schien weiter entfernt zu sein, verloren in einer dünnen milchigen Suppe.
    Edward richtete seinen Blick von den Wolken benommen nach unten und versuchte, sich im Tal zu orientieren. Er suchte nach einer bekannten Landmarke, nach etwas, das ihm eine feste Perspektive, einen Anhaltspunkt geben konnte.
    Die Royal Arches glitten in riesigen, gekrümmten Flocken von der grauen Granitfläche auf das brennende Hotel hinunter. Winzige Bäume tanzten wild, durch den Luftzug herumgewirbelt, und fielen dann zwischen rollende Felsbrocken. Das Getöse war selbst über die Weite des Tales weg betäubend. Die sichelförmigen Splitter, Dutzende von Metern breit, zerkrümelten wie alter Gips auf der Talsohle. Sie löschten das Ahwanee, die Löschfahrzeuge, die Feuerwehrleute und winzige Mengen von Zuschauern in einer aufsteigenden Wolke aus Staub und Schutt aus. Haushohe Felsblöcke rollten durch den Wald und in den Merced-Fluß. Neue Geröllhänge krochen durch das Tal wie die Scheinfüße einer Amöbe – lebendig, quirlend, sich niedersenkend und Stabilität erstrebend.
    Betsy sagte nichts. Edward sah gebannt auf den nahe gelegenen Riß in der Terrasse.
    Minelli hatte es aufgegeben, Inez festzuhalten. Sie floh von der Kante weg. Ihre Brüste und Arme hüpften, als sie Steinstufen empor und über Geländer hinweg sprang. Er grinste Edward zu und streckte hilflos die Hände aus. Dann kam er herunter, um sich neben ihnen hinzusetzen.
    »Manche Leute haben es nicht erfaßt«, sagte er, während das Getöse stürzender Steine nachließ. Er blickte Betsy bewundernd an. »Ein Hohlweg. Echtes Geröll. Hast du gesehen, wie diese konzentrischen Teile auseinandergebrochen sind? Genau wie in der Schule. Jahrhunderte in einer Sekunde.«
    »Wir siiiind Kiiinder in deinen Häääänden…« Die Hymnensänger waren jetzt selbstvergessen und achteten nicht auf das, was ringsum geschah. In Trance.
    Jedem

Weitere Kostenlose Bücher