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Schmutzige Haende

Schmutzige Haende

Titel: Schmutzige Haende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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recht gegeben: Sie klang falsch.
    Aber welches Recht hatte sie zu urteilen? Oder gar zu verurteilen?
    – Ja, genau er. B. G.
    Sonila war völlig außer sich. Sie erzählte ihr von ihrem großen Traum. Beim Fernsehen zu arbeiten. Sie konnte tanzen, sie hatte Gesangsstunden genommen, sie kannte das ganze Repertoire von Mina auswendig. Sie hatte eine ganz gute Figur. Sie gefiel den Männern, und sie wusste sich in Szene zu setzen. Wenn sie nur eine Gelegenheit bekäme, eine kleine, unbedeutende Gelegenheit …
    – Schon gut. Wenn wir hier rauskommen, stelle ich ihn dir vor.
    Das hatte sie nur gesagt, um sie abzuwimmeln, denn allein der Gedanke an B. G. war ihr unerträglich. Aber Sonila nahm sie ernst. Schrecklich ernst. Sonilas naive Begeisterung, ihr schrilles, aufgedrehtes Lachen … ja, sie würde es tun. Sie würde ihr B. G. vorstellen. Immerhin war sie stark genug, ihn zu treffen. Und hatte inzwischen ihr altes Leben hinter sich gelassen.
    Und außerdem war sie ja mit Pino zusammen, oder nicht?
    Zwei Tage später kam der Brief. Sonila las ihn und wurde kreidebleich, griff sich mit der Hand aufs Herz und schloss sich auf dem Klo ein. Valeria dachte, ihrer Familie sei irgendein Unglück zugestoßen, und folgte ihr fürsorglich. Sonila schrie, sie solle weggehen. Sie wolle sie nie wieder sehen und auch nie wieder mit ihr sprechen. Valeria versuchte sie zur Vernunft zu bringen. Ein paar Jugendliche, die Sonila schreien hörten, kamen herbeigelaufen. Sie veränderte den Ton. Es war nur ein vorübergehendes Unwohlsein. Sie würde sich erholen. Sie wollte ein wenig allein sein, nicht mehr und nicht weniger.
    Am Abend sahen sie sich wieder. Sonila war kreidebleich, am Boden zerstört. Sie bat sie um Verzeihung und gab ihr den Brief. Pinos Brief.
    Später erinnerte sich Valeria nur mehr an ein paar Satzfetzen. Und an die Kälte in ihrem Herzen, während sie die frostigen, feindlichen, unbegreiflichen Sätze las.
    Liebe Sonila,
    entschuldige, wenn ich Dir schreibe, aber ich hatte nicht den Mut … Reise … du verstehst besser als alle anderen … Slowenien … das Künstlermilieu … ich habe jemanden kennengelernt … sehr süß … ich glaube, ich werde einige Zeit hierbleiben … ich weiß, dass ich ihr wehtue, aber ich habe verstanden, dass es mit ihr nicht funktionieren würde … ich hoffe, dass ich ihr nicht das Herz gebrochen habe … irgendwann einmal wird sie verstehen … es ist besser, wenn sie mich nicht sucht …
    Valeria bat um Erlaubnis, telefonieren zu dürfen. Niemand konnte ihr die Bitte abschlagen. Pinos Handy war abgeschaltet. Sie versuchte es immer wieder, bis ihr Sonila den Hörer aus der Hand riss. Valeria legte sich ins Bett. Sie blieb zwei ganze Tage liegen. Sonila betreute sie, unter dem Vorwand, sie sei krank. Die ganze Zeit über blieb sie bei ihr, ohne ein Wort zu sagen. Am dritten Tag sagte sie, dass sie sich eine Sondererlaubnis habe geben lassen, um Verwandte in Mailand zu besuchen.
    – Ich habe gedacht, es wäre schön, wenn wir gemeinsam hinfahren würden … etwas Luftveränderung kann dir nur guttun … eine Woche, und dann kommen wir zurück und überlegen uns, was zu tun ist … komm, sag nicht nein!
    Valeria nickte leise. Sie zerrte sie aus dem Bett. Sie führte sie ins Bad und stellte sie unter die Dusche. Sie wusch sie und zog sie an wie ein Kind. Am Abend schlichen sie aus der Therapiegemeinschaft (das mache ich dir zuliebe, Schatz, um dir Fragen und Erklärungen zu ersparen, aber es geht alles mit rechten Dingen zu, ich habe höchstpersönlich mit dem Zuständigen gesprochen).
    Am nächsten Morgen wurde die Flucht bemerkt. Und alle fragten sich, wieso. Zwei solche Mädchen, zwei Perlen der Gemeinschaft … so plötzlich … eine interne Untersuchung wurde veranlasst. Es stellte sich heraus, dass Sonila bei ihrem Eintritt falsche Angaben gemacht hatte. Was Pino Marino anbelangte, so kannte niemand außer Valeria seine Anschrift. Einer der Älteren erinnerte sich, dass B. G., der Sänger, Valeria eine Zeitlang geschrieben hatte. Sie spürten ihn auf, doch er sagte, sie hätten sich seit Monaten nicht gesehen. Und so verlor sich die Spur der Mädchen.
    In Mailand stellte sich heraus, dass Sonilas Verwandte auf Urlaub in Albanien waren. Also mieteten die Mädchen ein Zimmer in einer kleinen Pension in der Nähe des Hauptbahnhofs. Valeria war wie gelähmt vom Schmerz. Sie lag nur im Bett, und Sonila musste sie füttern, damit sie nicht verhungerte. Sonila hatte die Nase voll. Die

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