Schmutzige Kriege
abgedruckt, offenbar als Beitrag zur Debatte über die Selbstzensur innerhalb des Islam. 7 Die Karikaturen versetzten weltweit Muslime in Rage, lösten massive Proteste aus und führten zu Morddrohungen gegen ihre Urheber und Bombendrohungen gegen die Zeitung. Auf der von
Inspire
veröffentlichten Abschussliste standen Herausgeber von Zeitungen, antimuslimische Experten, die die Karikaturen verteidigt hatten, und der Schriftsteller Salman Rushdie. Verzeichnet war auch der Name von Molly Norris, der Comicautorin aus Seattle, die den »Malt-alle-Mohammed-Tag« ausgerufen hatte. 8 Sie habe das als Reaktion auf die Entscheidung des Senders US Comedy Central getan, der nach Erhalt einer Todesdrohung eine Szene aus der beliebten Comicsendung
South Park
streichen lieÃ, in der auf die Kontroverse angespielt wurde, sagte Morris.
Der Abschussliste war ein Artikel von Awlaki beigegeben, in dem er die Muslime dazu aufrief, alle anzugreifen, die das Bildnis Mohammeds diffamierten. »Ich möchte meinen Brüdern von
Inspire
meinen Dankaussprechen, dass sie mich eingeladen haben, in der ersten Ausgabe ihres neuen Magazins den Leitartikel zu schreiben.« Dann hob er zu einer Verteidigung des Mordes an all jenen an, die Mohammed verunglimpften. »Ihre groÃe Zahl macht es uns leichter, weil wir damit aus mehr Zielen auswählen können und auÃerdem die Regierung kaum in der Lage ist, ihnen allen besonderen Schutz zu bieten.« Und er fuhr fort:
Aber selbst dann sollte sich unser Feldzug nicht auf jene beschränken, die sich aktiv an der Schmähung beteiligen. Diese Ãbeltäter agieren nicht in einem Vakuum, sondern innnerhalb eines Systems, das ihnen Hilfe und Schutz gewährt. Die Regierung, die politischen Parteien, die Polizei, die Geheimdienste, Blogs, soziale Netzwerke, die Medien und vieles mehr sind Teil eines Systems, in dem die Diffamierung des Islam nicht nur geschützt, sondern sogar gefördert wird. Die Hauptelemente dieses Systems sind die Gesetze, die diese Blasphemie legalisieren. Weil sie ein »Recht« ausüben, das vom Gesetz geschützt ist, haben sie die Rückendeckung durch das ganze politische System des Westens. Dies würde den Angriff auf jedes westliche Ziel aus islamischer Sicht rechtfertigen ⦠Attentate, Bomben- und Brandanschläge sind legitime Formen der Vergeltung an einem System, das sich im Namen der Freiheit an der Entweihung des Islam ergötzt. 9
Als
Inspire
erschien, gerieten manche Geheimdienstleute in Panik. Die erste Sorge war, jene Personen zu schützen, die als Ziel von Anschlägen genannt worden waren. Das FBI leitete unverzüglich SchutzmaÃnahmen für die Karikaturistin aus Seattle ein, die es für akut gefährdet hielt. Morris änderte schlieÃlich ihren Namen und zog an einen anderen Ort. Auch in anderen Ländern ergriffen die Polizeibehörden entsprechende MaÃnahmen. 10
Die »Abschussliste« bestätigte die Befürchtungen, dass Awlaki junge Muslime im Westen zu Terroranschlägen in der Art der »einsamen Wölfe« anstacheln könnte.
Inspire
wurde für die amerikanischen Geheimdienste zu einer der Hauptquellen für Informationen über AQAP und Awlaki. Die Analytiker suchten in jeder Ausgabe nach Hinweisen auf seinen Aufenthaltsort und mögliche Anschlagspläne. »Je mehr
Inspire
und Anwar al-Awlaki zum Thema wurden, desto mehr konzentrierten sich die Medien auf das Magazin und den Mann. Was dazuführte, dass AQAP beide noch mehr förderte und sich im Grunde diese kostenlose Werbung zunutze machte«, erläuterte Gregory Johnsen, Jemen-Experte an der Princeton University. »Die Reaktion der US-Regierung auf
Inspire
zu beobachten, war ein wenig schockierend, weil AQAP viele dieser Dinge genau so schon Jahre zuvor verkündet hatte â nur früher eben auf Arabisch in
Sada al-Malahin.
Als dann
Inspire
erschien, verstanden viele Leute in der amerikanischen Regierung, die nicht das Instrumentarium hatten,
Sada al-Malahin
zu lesen, mit einem Mal, was AQAP gesagt hatte. Und das führte gerade in den Monaten nach dem gescheiterten Anschlag am Weihnachtstag 2009 in manchen Behörden zu einer Ãberreaktion und zu Panik.« 11
Awlaki und Khan schienen sehr stolz darauf zu sein, dass die amerikanische Regierung in dieser Weise
auf Inspire
reagierte. In den folgenden Ausgaben veröffentlichte das Magazin an prominenter Stelle Zitate von offiziellen
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