Schnapsdrosseln - Kriminalroman
schlicht verzweifelt.
»Treten Sie ein«, sagte sie matt, und Margots Verwirrung wuchs. Eine wildfremde Person einfach so ins Haus zu bitten sah dieser Frau auch nicht ähnlich. Aber es war niemals klug, glückliche Umstände zu hinterfragen, darum folgte sie der alten Dame in einen kleinen, sterilen Flur. Elsa Nolden schwankte ein wenig, hielt sich an der Wand fest.
»Geht es Ihnen nicht gut?«, erkundigte sich Margot besorgt. »Frau Nolden, ist alles in Ordnung?«
Sie wandte sich um. »Alles bestens«, sagte sie, und ihre Fahne umhüllte Margot wie eine Wolke. Cognac, dachte sie, oder etwas anderes Hartes.
Sie führte sie ins Wohnzimmer. Belanglose Landschaftsbilder in Pastelltönen hingen an den Wänden. Eine Schrankwand, eine himmelblaue Sitzgarnitur mit farblich abgestimmten Kissen. Glastisch, Spitzendecke, Kunstblumen. Der Raum wirkte wie ein Hotelzimmer. Es roch muffig und ein bisschen nach Hundepisse.
»Möchten Sie etwas trinken?« Ohne auf eine Antwort zu warten, entnahm Elsa Nolden der Schrankwand zwei Gläser und stellte sie neben die Cognacflasche auf den Tisch. »Also, ich brauche jetzt einen Schluck. Auf den Schreck!« Ihre Bewegungen waren konzentriert und ein wenig zu langsam. Wenn man genau hinhörte, bemerkte man das leichte Lallen.
»Danke, aber ich …« Der Widerspruch war zwecklos, denn ihre Gastgeberin schenkte bereits ein.
»Ich bin froh, dass Sie gekommen sind«, sagte sie, setzte sich aufs Sofa und hob ihr Glas. »Zum Wohl!«
Margot tat es ihr gleich und nippte am Cognac.
»Ich habe meinen Sohn verloren«, sagte Elsa Nolden.
»Mein herzliches Beileid.« Es klang hohl und dumm, aber Margot fiel nichts Besseres ein.
»Ich bin froh, dass Sie gekommen sind«, wiederholte Elsa Nolden. »Obwohl ich mir da keine Sorgen mache. Maxi wird sich darum kümmern. Maxi ist meine Schwiegertochter. Sie ist Anwältin, eine hervorragende Anwältin. Diese Leute werden sich umgucken. Kinder, die mit Stöcken auf alte Damen und Hunde losgehen! Was bilden die sich ein?«
Während Margot die eigenwillige Sichtweise verdaute, hob Elsa Nolden ihr Glas und trank. »Mein Sohn ist tot«, sagte sie dann wieder. »Da kann man doch ein bisschen Rücksicht verlangen. Er war ein guter Junge, wissen Sie?«
Margot nickte hilflos.
»Maxi macht die fertig! Es ist gut, dass Sie da sind. Eine Zeugin ist gut. Das wird die Sache einfacher machen.«
Margot zwang sich zu einem Lächeln.
»Sie war ein Geschenk. Fipsi, meine ich. Er hat sie mir geschenkt, Bernd. Sie ist ganz reinrassig. Aber Bernd konnte sich das leisten. Und er war großzügig, er war immer gut zu mir. Er konnte nicht ahnen, dass sie so einen schlechten Charakter hat.« Sie stockte, und für eine Sekunde fürchtete Margot, dass sie anfangen würde zu weinen.
»Ich kenne das«, sagte sie eilig. »Ich habe auch einen Hund. Eine englische Bulldogge. Ein schreckliches Tier!« Sie fühlte einen kurzen Stich von Schuld, befand dann aber, dass es Louis sicherlich egal war, wenn sie schlecht über ihn redete.
»Tatsächlich?« Elsa Nolden musterte sie. Es schien sie Mühe zu kosten, sich aufrecht zu halten.
Margot nickte. »Man stellt es sich so einfach vor mit der Hundeerziehung, nicht wahr. Aber es ist schwierig.«
»Es liegt im Blut«, lallte Elsa Nolden. »Schlechtes Blut, da hilft alles nichts …« Sie starrte kurz ins Leere, zwinkerte ein paarmal. »Bei Hunden genau wie bei Menschen …« Sie war kaum noch zu verstehen.
»Wie wäre es mit einem Kaffee?« Margot ahnte zwar, dass es mit einem Kaffee nicht getan war, aber es wäre immerhin ein Anfang.
Elsa Nolden sah sie irritiert an. Schüttelte dann den Kopf. »Ich will keinen Kaffee«, murmelte sie und lehnte sich seufzend zurück.
Sie würde jeden Moment einschlafen, erkannte Margot. »Wie dem auch sei – man soll ja die Hoffnung nie aufgeben«, sagte sie, lauter als nötig. »Ich kenne mich nicht gut aus mit Hunden, aber man hat mir diese Hundeschule empfohlen. Von dieser Hartmann, Stefanie Hartmann …«
Die Wirkung der Worte überraschte sie. Elsa Nolden fuhr hoch, schien auf einmal hellwach. »Die!«, fauchte sie. »Diese … nein. Das Allerletzte ist die!« Sie griff nach ihrem Glas, stürzte den Rest hinunter. »Er hatte ein zu weiches Herz, mein Bernd. Ich habe ihn immer gewarnt. Damals schon. Asozial, asoziales Pack. Die Mutter meine ich, die war doch gestört. Jesus, Jesus, Jesus, während die Schlampe von Tochter sich mit jedem einlässt … Alle waren froh, als sie weg war, alle!
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