Schnapsdrosseln - Kriminalroman
Bernd. Den, der Norbert in die Tasche gesteckt hatte, immer. Auch damals, als es noch gut gewesen war zwischen ihnen. Bernd, der so eloquent war, Dinge schnell durchdachte. Der Entscheidungen fällte, eine gute Figur machte. Neben dem Norbert aussah wie ein dummer, unbeweglicher Klotz. Eine Nebenfigur, die vom großen Ganzen profitierte, dafür aber den Preis der Unbedeutsamkeit zahlte.
Es war nie wirklich Bernd gewesen, den sie hasste. Sondern Norbert. Für sein Dulden, für seine Schwäche. Sie hatte sich etwas vorgemacht, weil es nicht anders ging. Und jetzt rächte sich das, jede kleine Lüge, jede winzige Selbsttäuschung war präsent.
Dieser Anruf war der berühmte Tropfen gewesen. In ein Fass, das vielleicht seit Jahren voll war. Trotzdem hatte sie es geschafft, normal zu reagieren. Sie hatte dieser Britta versichert, wie froh sie sei über die Nachricht, hatte sich bedankt, so getan, als sei alles gut, weil er am Leben war, weil es ihm gut ging.
Britta hatte nicht gesagt, wo er war. Und Anna hatte nicht gefragt. Das war nicht nötig. Es kam ihr nicht einmal in den Sinn, dass es andere Möglichkeiten geben konnte. Sie kannte Norbert. Sie hatte nicht den geringsten Zweifel, dass er sich bei Stefanie verkrochen hatte. Dort seine Wunden leckte und sich trösten ließ. Während sie hier saß und langsam in tausend Stücke zerfiel.
Sie war völlig ruhig geblieben und hatte das, was in ihrem Kopf explodierte, so lange beherrscht, bis die andere aufgelegt hatte. Das hatte den kläglichen Rest Energie, über den sie noch verfügte, verbraucht.
Jetzt konnte sie nur sitzen, auf das tutende Ding schauen. Darüber nachdenken, dass Stefanie ihr ins Gesicht gelogen hatte. Um Norbert zu schützen. Vor ihr, vor seiner eigenen Frau. Sie fragte sich, wann sie aufgehört hatte, ihn zu lieben. Wie lange sie sich schon etwas vormachte.
Das Telefon tutete, und sie saß da, und sie wusste, dass dieses elementare Gefühl der Scham und der Wut nicht von allein verschwinden würde. Manche Demütigungen waren zu groß, um ignoriert zu werden. Sie stellte sich vor, wie sie zusammen in ihrem Haus hockten, Norbert und Stefanie, über sie sprachen, während sie sich gegenseitig stützten. Sie schmeckte den Hass auf der Zunge. Bitter und brennend.
Sie hatte zu lange zugesehen, wie sich die Dinge ihrer Kontrolle entzogen.
Elsa schloss leise die Schlafzimmertür. Maxi schlief jetzt. Tief und fest.
Als Elsa zurück nach Hause gekommen war, hatte sie im Wohnzimmer am Tisch gesessen. Sie saß da, starrte in Richtung der Scherben und Kaffeeflecken auf dem weißen Teppich. Das sah ihr nicht ähnlich. Sie sah verweint aus, müde, sie hatte kaum reagiert, als Elsa sie ansprach. Sie war am Ende, und darum verboten sich gewisse Dinge.
Ein Gespräch zum Beispiel, es war an der Zeit, über Dieters Verhalten zu reden. Elsa tat das nicht gern, aber Maxi hatte ein Recht zu wissen, wie ihr Vater sich aufführte. Seine ungeheuerlichen Lügen, seine Eifersucht, die Formen annahm, die Elsa langsam bedenklich erschienen. Aber sie wusste, dass es Maxi aufgebracht hätte. Auch wenn sie, Elsa, erklärt hätte, dass sie nachsichtig sein müsse mit ihrem Vater. Ihr klargemacht hätte, dass sie nicht Stein des Anstoßes sein konnte in einem Streit zwischen Vater und Tochter. Einem, der sich natürlich langfristig nicht vermeiden ließ.
Es war kein guter Zeitpunkt. Auch wenn es Elsa gutgetan hätte, sich manche Dinge von der Seele zu reden. Aber das konnte warten. Das war eins dieser Dinge, die das Verhältnis zwischen ihr und ihrer Schwiegertochter so wertvoll machten. Gegenseitige Rücksichtnahme. Stilles Einverständnis. Nicht alles musste zu jeder Zeit ausgesprochen werden. Manche Dinge konnten warten.
Sie hatte Maxi einen Tee gekocht. Sie hatte ihn getrunken, widerspruchslos, obwohl Elsa zu viel Zucker in den Becher getan hatte, um den Geschmack der Schlaftabletten zu übertünchen. Sie hatte ein paar aus dem Badezimmerschrank genommen, in der heißen Flüssigkeit aufgelöst. Maxi brauchte Ruhe.
Elsa hatte bei ihr gesessen. Einvernehmliches Schweigen, während Maxi trank, Schluck für Schluck, bis ihre Lider schwer wurden, die Bewegungen langsam. Irgendwann hatte sie sich widerstandslos ins Schlafzimmer bringen lassen. Elsa hatte ihr die Schuhe ausgezogen und sie mit einer Wolldecke zugedeckt. Maxi würde schlafen, und wenn sie aufwachte, dann sah die Welt schon ganz anders aus.
Ein Gedanke, der Elsa tröstete.
Sie ging ins Wohnzimmer, trug den
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