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Schnapsdrosseln - Kriminalroman

Schnapsdrosseln - Kriminalroman

Titel: Schnapsdrosseln - Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Trinkaus
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leeren Teebecher in die Küche. In der Spülmaschine standen nur wenige Teller und Tassen, aber Elsa startete sie trotzdem. Sie sah sich um, alles war sauber und aufgeräumt. Sie nahm sich einen Putzlappen und einen Eimer und ging ins Wohnzimmer, um endlich die kaputte Tasse wegzuräumen. Die Kaffeeflecken würde sie vermutlich nicht aus dem Teppich kriegen. Aber einen Versuch war es wert. Einen Versuch war es immer wert!
    Ohnmächtig zu werden war eine theatralische, hysterische Sache. Etwas, das nicht zu Stefanie passte. Ihr war so etwas noch nie passiert. Und sie war überrascht, wie normal sie sich fühlte, als sie wieder zu sich kam. Körperlich wenigstens.
    Norbert hatte sie zum Tisch geführt, sie auf einen Stuhl gesetzt. Sie hatte beteuert, dass es schon ging. Die körperliche Nähe war ihr unangenehm. Das immerhin schien er zu begreifen. Er setzte sich an die andere Seite des Tisches. Füllte erneut sein Weinglas.
    »Ich wollte mich umbringen«, sagte er. »Als ich gehört habe, dass sie ihn gefunden haben. Ich habe mich schuldig gefühlt, weil ich dachte … ich dachte, ich hätte bleiben sollen. Verhindern, was dann passiert ist. Aber dazu war ich zu feige. Ich saß da hinter einem Busch, in sicherer Entfernung, ich habe euch zugesehen und zugehört, und dann habe ich es nicht mehr ausgehalten. Ich hätte eingreifen müssen. Stattdessen bin ich einmal mehr weggelaufen. Und danach … Ich habe gewusst, dass jetzt alles sinnlos ist. Trotzdem konnte ich es nicht tun. Ich glaube, das war gut so. Denn ich habe begriffen, dass es einen Weg gibt, alles gutzumachen, was ich mit meiner Schwäche und meiner Feigheit angerichtet habe. Wenn ich gestehe, ist Anna frei. Und du auch. Du kannst das Leben leben, das du verdient hast. Es ist das, was ich tun kann. Das, was ich tun will …«
    »Du hast ihn nicht umgebracht.« Sie musste es aussprechen. Die Erleichterung auf der Zunge schmecken und das Gefühl, ihm wieder in die Augen sehen zu können. Norbert, der keiner Fliege etwas zuleide tun konnte. Der unendlich dumm war, aber ein guter Mensch. »Du hast ihn nicht umgebracht«, wiederholte sie.
    Er sah sie an, Besorgnis im Blick. »Stefanie … ich … das weißt du doch.«
    Sie griff nach dem Weinglas und trank gierig einen Schluck. Versuchte, ihre Gefühle zu sortieren. Mitleid und Wut, Fassungslosigkeit und etwas, das sie noch nicht benennen konnte. »Du denkst, dass ich …?« Ein hysterisches Lachen stieg in ihre Kehle. Sie schluckte es weg. »Und jetzt willst du mich retten, indem du dich für mich opferst? Merkst du eigentlich, wie anmaßend du bist?«
    »Du hast ihn Schwein genannt«, sagte Norbert. Er klang kleinlaut, kindlich irgendwie. »Ich bring dich um, hast du gebrüllt. Ich habe dich noch nie so gesehen!«
    »Ich war außer mir. Herrgott, Norbert! Er hat Julians Locke gestohlen. Seine Babylocke aus dem Album! Er hat einen Vaterschaftstest machen lassen, heimlich, hinter meinem Rücken. Ich hätte ihm irgendwann die Wahrheit gesagt. Aber Julian ist mein Sohn! Ich habe ihn alleine großgezogen. Er ist mein Kind. Bernd hat sich eingebildet, dass er Anspruch auf einen Platz in unserem Leben hat …« Sie brach ab, strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Du bist uns nachgeschlichen?«, fragte sie dann. »Du hast mir nachspioniert?«
    »Ich weiß, wie das aussieht. Aber es hat sich ergeben. Einfach so. Ich habe euch gesehen. Und ich dachte … verdammt, Stefanie, ich wusste, dass da wieder was läuft zwischen euch. Es war wie damals. Es hat wehgetan. Und weil ich ein Feigling bin, habe ich versucht, mir vorzumachen, dass es anders ist. Dass ich eine Chance habe. Ich habe euch zufällig gesehen, und ich bin euch gefolgt. Weil ich dachte, dass ich mich damit konfrontieren muss. Sehen, was läuft. Mich abfinden. Ich dachte, es hilft mir …« Er stützte beide Ellbogen auf den Tisch, legte die Stirn auf seine ausgestreckten Finger.
    Sie hörte ihn atmen. Blickte auf die Stirn, den zurückweichenden Haaransatz. Sie sah seine Hände, große, starke Hände mit kurzen Fingernägeln. Sie dachte an die Tage, an denen er da gewesen war und mit diesen Händen zugepackt hatte. Alles getan hatte, was nötig war, um ihr zu helfen.
    »Als ihr da gestanden habt, als ich gehört habe, wie ihr euch anschreit, war ich froh«, sagte er leise. »Jetzt hast du es endlich verstanden, hab ich gedacht. Jetzt verstehst du, wie er in Wirklichkeit ist. Aber es hat nicht lange angehalten. Ich habe gemerkt, wie falsch das alles

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