Schnapsdrosseln - Kriminalroman
fuhr herum. Anna stand in der Tür, ihr ausdrucksloser Blick war auf Norbert gerichtet. »Dann können alle wieder aufatmen. Dann ist die Welt in Ordnung. Wenn Anna weg ist, die frustrierte, dumme Anna. Dann könnt ihr in Ruhe hier sitzen, könnt eurem kostbaren Bernd nachweinen. Euch darin suhlen, dass die Welt nur aus euch besteht. Dass sie perfekt ist, wenn diese lästigen anderen Menschen verschwunden sind!«
Stefanie wollte etwas sagen, irgendetwas, aber sie konnte nicht. Sie konnte nur auf Annas Hand starren. Auf das Messer, das sie hielt.
»Karl«, krächzte sie nach einer gefühlten Ewigkeit. Sie hatte kein Kläffen gehört.
»Er schläft. Mach dir keine Sorgen um deinen Hund. Keine der Tölen hat auch nur ein Auge aufgemacht, als ich reingekommen bin. Sonst hätte ich sie getötet. Vielleicht.«
Sie hob die Hand ein Stück, betrachtete das Messer. »Andererseits – warum hätte ich das tun sollen? Sie haben mir ja nichts getan, die Hunde.« Sie lachte leise. Dann hob sie den Blick, sah Norbert an. »Ich saß da, einfach so, und ich habe verstanden, dass ich dich hasse. Und sie auch. Ich dachte, dass ich euch töten will. Alle beide.« Sie lächelte. »Manchmal denkt man komische Dinge, oder?«
Norbert stand auf. »Anna …«
»Halt den Mund.« Sie klang ganz ruhig. »Sei einfach still. Hast du Angst? Angst, dass ich deiner heißgeliebten Stefanie wehtue?« Sie lächelte. »Vielleicht sollte ich das tun. Um dich zu bestrafen. Aber es würde nichts ändern. Es würde gar nichts ändern. Es ändert ja auch nichts, dass Bernd tot ist. Es wird alles immer nur noch schlimmer. Ich wollte nicht wirklich, dass er tot ist. Ich dachte, ich will es, aber das war ein Irrtum. Alles ist ein großer Irrtum, und ich will jemanden bestrafen, obwohl ich weiß, dass es nichts ändert.«
Stefanie war klar, dass es ein Risiko war. Das Messer war groß, vermutlich sehr scharf. Sie war selbst überrascht, wie schnell alles ging. Wie einfach es sich anfühlte, nachdem sie aufgesprungen und Anna das Ding aus der Hand gerissen hatte.
Und doch blieb die Erleichterung aus. Denn da war noch etwas anderes, das sie beunruhigte. Sich in ihr Bewusstsein drängte, Gefahr brüllte. Ein Geruch, stechend, dazu ein Geräusch, Knistern, Grollen.
»Es brennt!«, hörte sie Norbert schreien. »Es brennt hier irgendwo!«
Wörner hielt Brittas Hände umklammert. »Es wird wieder gut«, sagte er, sichtlich bemüht, seine Ungeduld zu verbergen. »Alles wird wieder gut. Ich bin ein Unmensch, du hast in allen Belangen völlig recht. Wir reden später darüber, in Ordnung?«
Britta nickte, schniefte laut.
Er musterte sie kritisch. »Geht es wieder?«
»Es geht mir gut.«
»Dann zur Sache. Ich frage, du antwortest. Hast du eine Ahnung, was das da bedeutet?« Er zeigte auf das Schreiben, das er mit seinem Bierglas gegen mögliche Windböen gesichert hatte.
»Ein Vaterschaftstest. In Auftrag gegeben von Bernd Nolden. Von mir gefunden in Stefanies Schmutzwäsche. Ich habe keine Ahnung, was das bedeutet. Ich bin schließlich nicht der Bulle hier.«
»Jetzt hör auf! Herrgott! Das ist wichtig, möglicherweise sehr wichtig. Verstehst du das?«
»Ich bin ja nicht blöd«, schnappte Britta ungnädig. »Sie hat ein Kind. Stefanie. Das hat die alte Nolden Margot erzählt, als sie besoffen war. Keine Ahnung, was für ein Kind und wo es ist, wir haben nicht darüber gesprochen.«
»Ein Sohn. Zwanzig. Er macht gerade ein Auslandssemester, irgendeine Elite-Uni in Amerika, Stipendium …«
»Woher weißt du das?«
»Ich bin hier der Bulle.«
»Sein Sohn. Nolden hat das vermutet und den Test machen lassen. Und jetzt ist er tot.«
»Ein leibliches Kind wäre erbberechtigt. Stefanies Sohn wäre fein raus«, murmelte Wörner. »Somit hat Stefanie ein Motiv.«
»Warum willst du ihr unbedingt diesen Mord in die Schuhe schieben? Das ist doch absurd. Sie dreht ja wohl kaum ihren Hühnern den Hals um und vergiftet die Hunde und …«
»Das kannst du nicht wissen. Das eine hat mit dem anderen vielleicht nichts zu tun. Vielleicht will ihn jemand rächen …« Wörner hob die Hand, um Brittas neuerlichen Protest im Keim zu ersticken. »Ich sage ja gar nicht, dass sie ihn umgebracht hat. Ich denke einfach laut.«
»Von laut wird es nicht weniger dumm.«
»Ich muss mich konzentrieren. Das hier ist wichtig, und darum höre ich dir gar nicht zu. Ich muss verstehen, was das alles bedeutet und –« Der durchdringende Klingelton seines Handys unterbrach ihn. Er
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